»Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz!« Lächelnd nahm Anette Kögel ihre Tochter Kristina in die Arme und drückte sie an sich. »Viel Gesundheit und Glück im neuen Lebensjahr.«
»Danke, Mami. Du bist so süß.« Gerührt erwiderte Krissi die Umarmung, ehe sie sich dem wie immer festlich geschmückten Geburtstagstisch zuwandte. »Du kannst es einfach nicht lassen, was?«
»Ich finde, ein Geburtstagskuchen mit Kerzen gehört einfach dazu.« Netti wußte sofort, worauf ihre inzwischen erwachsene Tochter anspielte.
»Komm, blas die Kerzen aus und wünsch dir was.«
»Was sollte ich mir schon wünschen? Ich hab doch alles, was ich brauche. Dich«, sie warf ihrer Mutter einen Kuß durch die Luft zu, »einen lieben Freund, ein schönes Zuhause, einen guten Job. Was will ich mehr?«
»Das weiß ich auch nicht. Ein kleiner Wunsch wird dir schon noch einfallen.«
Krissi dachte einen Augenblick nach, dann schloß sie die Augen und blies aus Leibeskräften. Als sie die Augen wieder öffnete, brannten noch drei der über zwanzig Kerzen. Lachend und unbeschwert pustete sie noch einmal, bis endlich alle erloschen waren. Später beim Frühstück dachte sie nicht weiter an das Omen, das der Vorbote für unerfreuliche Ereignisse sein sollte.
»Und was hast du heute an deinem Ehrentag, noch vor?« erkundigte sich Netti mit einem Blick auf die Uhr. Erst in einer Stunde mußte sie ihren Dienst als Hebamme in der Leitner-Klinik beginnen, so blieb noch Zeit für eine ruhige Tasse Kaffee.
»Weiß noch nicht recht«, erwiderte Kristina und biß herzhaft in ein Stück Geburtstagskuchen. »Zuerst einmal habe ich einen ganz normalen Arbeitstag im Sender. Mittags gehe ich wahrscheinlich mit Yannick zum Essen.«
»Schön. Hast du vielleicht Lust, mit Papa und mir heute abend auszugehen? Du weißt doch, er kommt heute mit dem Flugzeug aus Dubai.«
»Stimmt, das hätte ich beinahe vergessen.« Nachdenklich runzelte Krissi die Stirn. »Wollt ihr nicht mal allein sein? Immerhin habt ihr euch schon ein paar Monate nicht mehr gesehen.«
»Na hör mal, immerhin sind wir eine Familie. Volker freut sich doch, dich endlich mal wieder zu sehen. Schließlich bist du sein einziges Kind.«
»Bist du dir da so sicher?« grinste Kristina frech, aber ihre Mutter nahm ihr diese flapsige Bemerkung nicht übel.
»Was ist schon sicher im Leben?« gab sie unbeschwert zurück und erhob sich dann. »Also denk drüber nach. Ruf mich in der Klinik an, ich hole Volker direkt nach dem Dienst vom Flughafen ab.«
»Alles klar, Mama. Und vielen Dank für den schönen Kuchen und die Geschenke. Ach, überhaupt für alles.« Krissi fiel Anette um den Hals und schaute ihr dann nach, wie sie das Haus verließ und im nebligen Licht des Morgens verschwand.
Zum selben Zeitpunkt saß Volker Kögel bereits mit euphorischen Gefühlen in der Maschine nach München und dachte nach. Er malte sich die Begeisterung seiner Familie aus ob der Neuigkeiten, die er Frau und Tochter in ein paar Stunden mitzuteilen hatte. Und das auch noch am Geburtstag seiner einzigen Tochter! Was war er doch für ein Glückspilz. In seinen Überlegungen verdrängte er allerdings einige Tatsachen. Ohne Rücksicht auf seine Frau Anette und seine kleine Tochter hatte er vor Jahren eine Karriere als Auslandsreporter eingeschlagen und mehr Zeit in allen möglichen Orten der Welt verbracht als mit seiner kleinen Familie. Anfangs hatte es deswegen viel Streit mit Netti gegeben, doch schließlich hatte sie sich, unbemerkt von Volker, in ihr Schicksal gefügt und ihr eigenes Leben gemeinsam mit Tochter Kristina aufgebaut. Die seltenen Besuche von Volker verliefen harmonisch, doch blieb es ihm nicht verborgen, daß er zunehmend zu einem Besucher wurde. Das paßte ihm auch nicht so recht. Seit Krissi ihre Mutter nicht mehr brauchte, legte Anette ihre ganze Kraft und Freude in ihren Beruf als Hebamme und fühlte sich in ihrem Tagesablauf gestört, wenn zu Hause ein Mann nur darauf wartete, seine Freizeit mit ihr zu verbringen.
Viele Jahre waren inzwischen ins Land gegangen, Volker fühlte sich nicht mehr zu Hause in den Großstädten der Welt. Die Kriegswirren belasteten ihn zunehmend, und er sehnte sich endlich nach einem Platz, an dem er sich ausruhen, sich zu Hause fühlen konnte. So hatte er einen einsamen Beschluß gefaßt in der Annahme, seiner Frau Anette genauso wie Kristina eine große Freude zu bereiten: Er hatte seine Karriere beendet, um zu seinem Heimatsender zurückzukehren und endlich seßhaft zu werden. Ein glückliches Lächeln spiegelte sich auf seinem Gesicht, als ihm die Stewardeß einen Drink servierte und ihn nach seinem Wohlbefinden befragte. Er seufzte zufrieden, schloß die Augen und träumte von seiner Zukunft als bürgerlicher Familienvater, während das Flugzeug mit leisem Rauschen, über einem Meer watteweicher Wolken, im gleißenden Licht der Sonne dahinglitt.
Für Träume blieb Anette während ihres verantwortungsvollen Berufsalltags nicht viel Zeit. Als Chefin der Entbindungsabteilung der Leitner-Klinik hatte sie vielfältige Aufgaben, angefangen vom Schreiben der Dienstpläne über die Einarbeitung neuer Hebammen bis hin zur Urlaubsplanung. Trotzdem fand sie immer noch Zeit, die eine oder andere Patientin, meist Risikoschwangerschaften, bis hin zur Geburt zu begleiten, tröstete während schmerzhafter Wehen, spendete Trost, wo die Kraft zu Ende schien, setzte Akupunkturnadeln und gab homöopathische Arzneimittel gegen heftige Schmerzen. Und jedes Mal wieder begeisterte sie das Wunder der Geburt, wenn der kleine Erdenbürger endlich, meist nach vielen spannenden Stunden, gesund und munter das Licht der Welt erblickte und mit einem zornigen Schrei seinen Unmut bekundete. Das war Anettes eigentliche Leidenschaft, und jedes Mal, wenn sie so ein kleines, entrüstetes Erdenwesen in den Händen hielt und in warme Decken hüllte, war sie voller Ehrfurcht und Rührung; auch an diesem Tag, als sie einer erschöpften, aber glücklichen Mutter ihren neugeborenen Sohn in den Arm legen konnte.
»Jetzt ist es überstanden. Herzlichen Glückwunsch, Frau Wagner. Und sehen Sie mal, die Schmerzen haben sich doch wirklich gelohnt.« Liebevoll und zärtlich legte sie der jungen Frau ihren Erstgeborenen in den Arm.
»Du liebe Z