Kapitel 2
22. Dezember
»Sind die von Ihnen?«
Margeaux betrachtete die gerahmten Fotos an der Wand. Ich trat neben sie, ein Tablett mit Kaffee, Brötchen, Käse und Honig in Händen.
»Ja. Ich fotografiere sehr gerne und es gibt hier reichlich Gelegenheit dazu.« Die Fotos waren im Sommer entstanden. Der See schimmerte in tiefdunklem Blau und machte seinem Namen alle Ehre. Er sah, das dachte ich mir immer, irgendwie mystisch aus.
»Sie haben ein gutes Auge für Motive.« Margeaux deutete auf zwei Bilder, die im Wald entstanden waren. Moosbedeckte Baumstämme, eine Ansammlung von buttergelben Pilzen.
»Danke. Sie wissen ja, was man sich über den Schwarzwald erzählt?«
Margeaux schüttelte ein wenig zögerlich den Kopf. So, als müsse sie überlegen. »Nein«, sagte sie schließlich. »Ich bin zum ersten Mal hier in der Gegend.« Danach setzte sie sich. Ihre Augen huschten über das Tischtuch, als suche sie etwas. Ich stellte das Tablett ab und nahm die Sachen herunter. »Kaffee schenke ich Ihnen nach, so viel Sie wollen.« Und weil Margeaux nichts mehr sagte und ich das Gespräch nicht abbrechen lassen wollte, fuhr ich fort. »Der Blauberger See birgt ein Geheimnis.« Margeaux hob den Kopf. Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. Unwillkürlich blickte ich auf ihren Ring.
Was macht sie hier, so ganz alleine, über Weihnachten?
Das Zimmer war bereits für eine Woche im Voraus bezahlt. »Danach sehen wir weiter«, hatte sie gesagt.
Danach, das hieße dann, dass sie womöglich darüber nachdachte, auch über den Jahreswechsel hinaus zu bleiben.
»Ein Geheimnis?« Margeaux’ Stimme durchbrach meine Gedanken.
»Wollen Sie es hören?«
»Ist es … schlimm?«
Ich musste lächeln. Die Frau war Anfang vierzig und jetzt blickten ihre Augen fast schon ängstlich. Als seien Fabeln und Legenden etwas, das in ihr dieselbe Furcht auslöste wie in Kindern.
»Nein. Eigentlich sind fast alle Geschi