Fünfte Wahrnehmung
Der Raum liegt zur ebenen Erde und ist vollkommen überdimensioniert. Zwei Damen sitzen darin. Ein Herr, der draußen vor der Tür Dummheiten in sein Telefon säuselt, wird noch kommen. Es verspricht ein geschlechtlich ausgewogener Kurs zu werden.
Innerhalb der Gruppe scheinen Übertretungen gegen das sechste Gebot so gut wie ausgeschlossen. Der Herr, ein kahler, Testosteron schwitzender Mann Ende dreißig, ist, seinem infantilen Gemurmel nach zu schließen, gut versorgt.
Heinrichs Gefährdung wäre ohnehin gering. Bekanntlich lassen die Kräfte der Venus mit den Jahren nach. Beim einen stärker, beim anderen schwächer, bei Heinrich eher stärker. Hinzu kommt, dass die ältere der beiden Damen alt ist. Die jüngere erinnert Heinrich vom Typus her an Isolde. Bei all der Verbitterung, die ihr Gesicht spiegelt, wäre sie im parallel stattfindenden Aquarellkurs vielleicht besser aufgehoben. Aber unterm Strich ist es vermutlich egal, ob man der Depression mit Malen, Schreiben oder dem Kneten von Ton begegnet.
Er stellt sich den Damen vor. Zuerst der Älteren, die in der ersten Reihe, unmittelbar vor dem Tisch des Kursleiters, Platz genommen hat. Sie trägt ein Dirndl, ihre Haare sind zum Dutt hochgesteckt, die Physiognomie wirkt heiter. Den Händen ist anzusehen, dass sie gearbeitet hat. Der klassische Großmuttertypus ländlicher Prägung.
Die Verbitterte ist, als Heinrich sich ihr nähert, gerade im Begriff, den Platz zu wechseln. Sie sei, erklärt sie, unschlüssig, wo sie sich hinsetzen solle. Fen