: Detlef Schumacher
: Unglaublich
: BookRix
: 9783748742180
: 1
: CHF 0.50
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: Comic, Cartoon, Humor, Satire
: German
: 149
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Lektüre der dreißig Kurzgeschichten soll keine zügellose Heiterkeit entfachen; sie soll schmunzeln machen. Wenn das auf Anhieb nicht gelingt, sollte das Lesen wiederholt werden. Der Binsenweisheit folgend: Doppelt hält besser!

Zwei Spione


Es war einmal ein Land, das hießInland. Umgeben war es vom Ausland und einem bisschen Meer. Mehr nicht. Seine Bewohner waren nicht zahlreich, aber zufrieden. Es gab keine Reiche und keine Arme. Jeder hatte ein Dach über dem Kopf, ausreichend zu essen und Arbeit. Regiert wurde Inland von einem Ministerrat. Der bestand aus mehreren Ministern. Jeder von denen hatte eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Alles verlief reibungslos. Inland wurde vom Ausland bewundert. Aber auch beneidet. Man schickte zwei Spione nach Inland. Die sollten erkunden, weshalb dort alles wie am Schnürchen lief und die Leute nicht meckern ließ.

Die Spione überschritten ungehindert die Grenze. Inland ließ die Grenzen unbewacht. Man vertraute auf die Vernunft des Auslands. Auch auf den Minister für Sicherheit. Der hatte versichert, dass nur der Weihnachtsmann und der Osterhase die Grenze alljährlich passieren.

Ungehindert spionierten die beiden Spitzel. Nichts ließen sie unbesehen. Selbst in die Wohnhäuser wollten sie eindringen, wenn niemand zu Hause war. Dann aber waren die Haustüren verschlossen.

Deshalb überlegten sie, ob sie durch den Schornstein Einlass finden könnten. Inlands Schornsteine waren sehr breit. Der Schornsteinfeger sollte bequem bis unten reinigen können. Wenn er auf den Erdboden zurückgekehrt war, wurde er von den Hausbewohnern berührt. Das sollte Glück bringen.

Beide Spione kannten diesen Aberglauben. Er war auch in ihrem Land üblich. Sie machten ihn sich zunutze und stellten sich bei Frau Schönmann als neue Schornsteinfeger vor.

„Kehrt und kehrt anschließend zu mir zurück“, sagte sie erfreut. „Macht euch schön schmutzig. Ich will euch dann berühren.“

„Warum wollen sie uns berühren?“, fragte der eine, als wüsste er das nicht.

„Weil mir das Glück bringt.“

„Haben Sie Glück nötig? Sie sehen so glücklich aus.“

„Das schon. Aber ich wünsche mir einen Mann, der das Glück mit mir teilt.“

„Sie heißen Schönmann, also haben Sie einen schönen Mann.“

„Ich hatte ihn. Er lebt jetzt mit meiner Schwester zusammen.“

„Oh, das tut uns aber leid.“

„Das muss Ihnen nicht leidtun. Mir tut es auch nicht leid. Er bleibt ja in der Familie.“

„Das Glück wird Ihnen also hold sein. Woher nehmen sie den erwünschten Mann?“

Sie sah beide Spione lächelnd an und sagte: „Ich nehme zwei Männer, und zwar euch.“

Sie tippte jedem auf die Brust.

„Uns?“ Sie zeigten sich überrascht.

„Ja! Gefällt euch meine Entscheidung?“

„Ja, schon“, stotterte der eine. Und der andere: „Zwei sind zu viel für Sie, Frau Schönmann. Sie müssten Ihr Glück durch Drei teilen.“

„Nicht so schlimm. Wenn mir einer von euch nicht mehr gefällt, schicke ich ihn fort. Dann ist das Glück für Zwei da.“

Beide überlegten. Schön war sie, die Frau Schönmann, von oben bis unten. Wenn sie bei ihr blieben, wären sie keine Spione mehr. Sie könnten nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die versprochene Spitzelbelohnung wäre futsch. Was soll ich nur tun, fragte sich jeder. Und, wen von uns beiden wird sie irgendwann in die Wüste schicken.

„Sie stellen uns vor eine schwere Entscheidung, Frau Schönmann“, sagte der eine.

„Wieso schwere Entscheidung?“, wunderte sie sich. „Ihr wohnt bei mir, ihr esst mit mir und schlaft mit mir. Vorher müsst ihr euch aber immer gründlich waschen.“

„Sie haben uns gar nicht gefragt, ob wir nicht schon bei einer anderen Frau schlafen, Frau Schönmann.“

„Das glaube ich nicht“, erwiderte sie unbekümmert. „Ihr macht einen neugierigen Eindruck, also sucht ihr nach einer Frau. Oder“, hielt sie nachdenklich inne, „sucht ihr nach etwas anderem?“

„Nein, nein, nein!“, schoss es aus beider Mund, „Sie haben Recht, wir suchen nach einer Frau.“

Frau Schönmann ist nicht nur schön, sie ist auch hellsichtig, stellten sie fest. Beinahe hätte sie uns enttarnt. Es wird gut sein, ein paar Tage bei ihr zu wohnen und dann zu verduften.

„Die Frauen des Dorfes werden mich beneiden, wenn sie erfahren, dass zwei Männer bei mir hausen.“ Frau Schönmann war sichtlich stolz.

Der eine Spion gedachte seines eigentlichen Auftrags und fragte Frau Schönmann, ob es in Inland Neid gebe. Bejahte sie, wäre das ein erster Spionageerfolg.

„Neid?“, fragte sie erstaunt. „Was ist Neid?“

„Sie sagten, dass die Frauen des Dorfes Sie beneiden werden.“

„Das hast du missverstanden, mein Lieber“, tätschelte sie seine Wange, „ich meinte, sie werden wollen, dass ihr auch ihre Esse kehrt.“

„Das würden wir sehr gern tun“, beeilte sich der andere zu sagen, der die Gelegenheit witterte, mit anderen Dorfbewohnern problemlos ins Gespräch zu kommen.

„Erst wird bei mir gekehrt, meine Herren“, bestimmte Frau Schönmann. „Also los und kehrt beschmutzt zurück!“

Die beiden Spione – nennen wir sie A und B, ihren richtigen Namen mussten sie geheim halten – standen nun ratlos vor dem Haus.

„Wie sollen wir den Schornstein kehren, wenn uns das Werkzeug fehlt?“, fragte A.

„Welches Werkzeug benötigt man?“, fragte B.

„Guten Tag, meine Herren!“, wurden sie von einer älteren Frau gegrüßt, die plötzlich neben ihnen stand. „Sie suchen eine Unterkunft? Bitte folgen Sie mir!“

Als wäre das ein Befehl, trotteten A und B willenlos hinter ihr her. In punkto Schönheit war sie das ganze Gegenteil von Frau Schönmann.

„Die ist aber hässlich“, flüsterte A zu B.

„Vielleicht ist sie eine Hexe“, vermutete B. „Hexen sind nicht nur hässlich, sondern auch gefährlich. Sie schieben ihr Opfer ins Feuer und braten es.“

Beiden lief ein Schauer über den Rücken, als sie krächzte: „Fürchten Sie sich vor etwas?“

„Wieso?“, stotterten beide.

„Weil Sie zittern. Wenn Ihnen kalt ist, werde ich Ihnen ein kräftiges Feuerchen unter den Arsch machen.“

Sie lachte und entblößte dabei ihre schadhaften Zähne. Beide schauderte es noch mehr.

„Also doch eine Hexe“, raunte B. Wie mit Hexen umzugehen ist, war ihnen in der Spionageschulung nicht beigebracht worden.

„Wenn Sie Hunger haben, kann ich Ihnen auch ein Stück Fleisch braten.“

A hatte verstanden: „… kann ich auch ein Stück Fleisch von Ihnen braten.“

„Die will uns fressen“, konnte A seine Angst nicht verbergen.

„Uns beide auf einmal? Sie wird Magenschmerzen bekommen“, versuchte B die Angst ironisch zu unterdrücken.

„Na, Else“, fragte ein vorübergehender Mann grinsend, „wieder Erfolg mit deinem Charme gehabt?“

„Er ist unwiderstehlich, wie du siehst“, antwortete sie.

Der Mann entfernte sich lachend. A wollte ihn zurückrufen und bitten, Hilfe zu leisten. Doch der war um eine Hausecke gebogen.

„Sind Sie undicht?“, fragte Else Spion A, aus dessen Hose es tropfte.

„Ich habe Blasenentzündung“, log er.

„Die lässt sich rasch beheben. Mit dem Feuerchen wird Ihre Blase trockengelegt.“

A bekam noch mehr Angst. Zudem schämte er sich, in die Hose gepinkelt zu haben. Das war ihm im Alter von sechs Jahren zum letzten Mal passiert.

„Da sind wir, meine Herren“, sagte Else und blieb vor einer Haustür stehen. Die sah ebenso gealtert aus wie ihr Gesicht.

„Mein Haus ist zwar kein nobles Hotel“, sprach sie weiter, „aber als Unterkunft nicht zu verachten.“

Sie öffnete die Tür und trat ins Haus. A und B wagten nicht, ihr zu folgen.

„Wir sollten davonlaufen“, flüsterte A hastig, „zurück zu Frau Schönmann.“

„Was ist?“, fragte Else. „Haben Sie sich anders entschieden?“

„Jawohl, anders entschieden“, kam es beiden wie aus einem Munde.

Else erstaunt: „Wieso?“

„Weil wir Ihnen unüberlegt gefolgt sind. Wir sollten für Frau Schönmann eine wichtige Arbeit verrichten.“

„Welche, wenn ich fragen darf?“

„Sie bat uns, ihren Schornstein zu reinigen.“

„Also Schornsteinfeger seid ihr?“

„Ja, wir fegen.“

„Das trifft sich gut“, sagte Else zufrieden, „mein Rohr muss auch mal wieder gebürstet werden.

Fangt bei mir an, dann geht ihr zur Schönmann.“

„Ihr wird das nicht recht sein“, gab B zu bedenken.

„Die ist jung, kann also warten“, entschied Else. „Also geht und beginnt!“

Sie schloss die Haustür. A und B standen wieder ratlos.

„Wir sollten das Dorf verlassen“, meinte A. „Dann kann uns die...