: Alex Lépic
: Lacroix und die stille Nacht von Montmartre Sein dritter Fall
: Kampa Verlag
: 9783311701835
: Red Eye
: 1
: CHF 4.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Weiße Weihnachten in Paris. Das hat es zuletzt vor fünfzig Jahren gegeben, erinnert sich Lacroix. Der dichte Schneefall verwandelt die Stadt binnen weniger Stunden in eine ver- wunschene Winterlandschaft, die vorweihnachtliche Ruhe aber langweilt den Commissaire. Als auf der beliebten Place du Tertre, dem Herzstück Montmartres, die prachtvolle Weihnachtsbe- leuchtung gestohlen und in der nächsten Nacht die große Nordmanntanne unterhalb von Sacré-C?ur gefällt wird, bietet Lacroix sogleich seine Hilfe an - auch wenn er eigentlich nicht zuständig ist, leitet er doch das Kommissariat im fünften Arrondissement, rive gauche. Weder die Künstler von Montmartre noch die Touristen haben etwas gesehen, aber Lacroix' Instinkt sagt ihm, dass es hier um mehr geht als den Van- dalismus eines Weihnachtshassers. Er ermittelt gemeinsam mit der Leiterin des Reviers auf dem Berg - und mit der Hilfe seiner Frau Dominique. Werden sie Schlimmeres verhindern können, damit pünktlich zum Fest der Liebe wieder Frieden herrscht in der Stadt der Liebe?

ALEX LÉPIC, geboren 1980 in Paris, ist in Deutschland aufgewachsen, setzt sich aber so oft wie nur möglich in den Zug, um in sein heiß geliebtes Paris zurückzukehren, wo er ein kleines Mansardenzimmer im feinen siebten Arrondissement bewohnt. Nach Lacroix und die Toten vom Pont Neuf und Lacroix und der Bäcker von Saint-Germain ist auch Lacroix und die stille Nacht von Montmartre vor allem auf den Terrassen der Pariser Bistros entstanden, wo Alex Lépic zur Zeit, je nach Wetter und Außentemperatur, an Commissaire Lacroix' viertem Fall arbeitet.

Weißer Boulevard


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Lacroix wollte es nicht glauben. Aber es war wie immer, wenn sich in dieser Stadt etwas Großes oder Absonderliches ankündigte: Die Welle der stillen Post wogte durch die Straßen, erfasste zuerst die Kioskverkäufer, die ihren Kunden die Neuigkeit zuraunten, dann schwappte die Information etwas abgewandelt und dramatisiert an die alten Zinktresen, wurde von dort aus weitergetragen und überschwemmte schließlich die ganze Stadt. So war es am Morgen Monsieur Hoche gewesen, der Verkäufer des Kiosks in der Rue de la Montagne Sainte-Geneviève vor dem Kommissariat des fünften Arrondissements, der ihm davon erzählt hatte. Ja, es stand in allen Zeitungen! Lacroix hatte wie üblich denFigaro gekauft und sich kopfschüttelnd die Landkarte auf der letzten Seite angesehen. Im Büro hatte er es dann im Radio gehört, das Capitaine Jade Rio neuerdings während der Arbeit leise laufen ließ.France Inter hatte davon gesprochen – und die Journalisten imMaison de la Radio im16. Arrondissement waren in der Regel hervorragend informiert.

Letztlich war es Yvonne Abeille, Wirtin seines Stammbistros Chai de l’Abbaye, die ihn zu einem Nicken veranlasste, als sie am Mittag noch vor dem Zapfen des ersten Bieres fragte:

»Mon cher Commissaire, hast du es gehört? Es soll schneien! Am Abend schon. Hier. In Paris!«

Da Lacroix, der es sonst vermied, derlei äußere Umstände zu kommentieren, den Kopf hob und sie sogar freundlich ansah, fühlte sie sich bemüßigt, die Sache weiter auszuführen:

»Es ist eine unglaubliche meteorologische Sensation, haben sie im Radio gesagt. Drei Kaltfronten, die über dem Atlantik aufeinandergetroffen sind und in der Bretagne schon für hohe Schneeberge gesorgt haben. Nun zieht die Front gen Osten – und es ist so viel Schnee im Anflug, dass es tatsächlich weiße Weihnachten geben könnte. Das wäre das erste Mal, seit … Ach, was sag ich … Ich kann mich gar nicht an weiße Weihnachten erinnern.«

»2001 sind wir knapp daran vorbeigeschrammt«, murmelte Lacroix. »Aber1962.1962 gab es weiße Weihnachten.«

»Stimmt.1962. Du hast recht. Da warst du wie alt? Drei?«

»Hmm …«

»Und ich war sechs. Herrje, ich habe es fast vergessen. Dabei bin ich mitmaman draußen im Buttes-Chaumont Schlitten gefahren. Das war herrlich. Seit wann hast du so fundierte Kenntnisse über die Wetterverhältnisse in Paris?«

»Hmm …« Wieder grummelte er nur.

Yvonne sah ihn fragend an, ging um den Tresen herum und lehnte sich auf den Barhocker, der Lacroix am nächsten stand. Er bemerkte es: Sie war besorgt. Eigentlich hatte sie alle Hände voll zu tun, der Laden war brechend voll jetzt in der Mittagszeit.

»Was ist los,mon Commissaire

»Ach, es ist nichts«, sagte er und sah sie zum ersten Mal richtig an. »Mir ist nur furchtbar langweilig. Es ist seit Tagen so ruhig im Kommissariat, ich könnte den ganzen Tag hier an der Theke sitzen. Und nun reden auch noch alle nur über den Schnee, der heranzieht. Bis Weihnachten wird es kein anderes Thema mehr geben – und es wird nichts mehr passieren.«

Sie sah ihn nach seinem unwirsch vorgetragenen Monolog kurz an, erstaunt zwar, doch sie kannte ihn so gut wie kaum jemand und wusste: Lacroix konnte Langeweile einfach nicht ertragen.

»Mach es dir gemütlich.Plat du jour istconfit de canard aus der Gascogne, jetzt, wo es so schön kalt ist. Wein oder Bier?«