: Diana Menschig
: Die alte Wassermühle
: Kampa Verlag
: 9783311702047
: 1
: CHF 11.60
:
: Spannung
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Plätschernd fließt der Bach dahin, stetig dreht sich das Mühlrad. Genauso soll es sein, genauso ist es seit Jahrhunderten. Nichts deutet darauf hin, dass etwas nicht stimmt, und doch beschleicht Bianca Kornelis ein ungutes Gefühl. Dabei war sie die treibende Kraft, als es darum ging, die alte Mühle zu renovieren und mit der Familie aufs Land zu ziehen - das Café samt kleiner Pension ist ihr Lebenstraum. Nun häufen sich Beschwerden von Gästen, die nachts kein Auge zubekommen. Der Grund: Das Mühlrad quietscht. Zwar hat der Vorbesitzer dringend davon abgeraten, das Rad anzuhalten, aber Bianca und ihr Mann wissen sich nicht anders zu helfen - schließlich geht es inzwischen um nichts weniger als die Existenz der Familie. Die Folgen sind schrecklich: Albträume plagen Eltern, Kinder und Gäste, und Bianca findet sich eines Nachts nach Luft ringend und mit nassen Haaren am Bachufer wieder, in der festen Überzeugung, eine dunkle Macht habe ihren Kopf unter Wasser gedrückt. Welches schreckliche Geheimnis birgt das alte Gemäuer?

DIANA MENSCHIG, geboren 1973, absolvierte nach einem Studium der Psychologie mehrere Stationen in Marktforschung und Personalmanagement, bevor sie einen Spieleladen eröffnete. Heute arbeitet sie hauptberuflich als Autorin und Lektorin. Dabei ist sie nicht nur in phantastischen, sondern auch in historischen Welten unterwegs. 2015 gründete sie mit weiteren Autorinnen und Autoren das Phantastik-Autoren-Netzwerk und ist seitdem Vorstandsvorsitzende. Sie lebt mit ihrem Mann, einer Katze und zwei Hunden am Niederrhein. Wenn das Wetter es zulässt, ist sie zu Fuß oder mit dem Rennrad im Wassermühlenland der Region Maas- Schwalm-Nette unterwegs.

1. Kapitel~ Freitag – vier Tage zuvor ~


Selbstverständlich werden wir Ihnen mit dem Preis entgegenkommen. Wir können absolut verstehen, dass Ihnen eine gute Nachtruhe wichtig ist. Sind Sie mit einem Rabatt von fünfzig Prozent und einem Zehn-Euro-Gutschein für Ihren nächsten Besuch im Mühlencafé einverstanden?« Inzwischen fiel es mir schwer, einen geschäftlichen Ton anzuschlagen und das Flehen aus meiner Stimme herauszuhalten.

Zu meiner Erleichterung lächelte die grauhaarige Frau versöhnlich. »Ihr russischer Zupfkuchen sucht seinesgleichen, das muss ich Ihnen ja lassen. Also gut, ich bin einverstanden.« Sie hatte das allein entschieden und blickte sich nicht einmal zu ihrem Mann um, der einen halben Meter hinter ihr stand, verlegen mit dem Riemen seines Rucksacks spielte und so tat, als ginge ihn das alles gar nichts an.

Ich rang mir ein Lächeln ab, von dem ich hoffte, dass es dankbar wirkte, verwünschte im Stillen diese empfindlichen Touristen, korrigierte die Rechnung und stellte den Gutschein aus. Währenddessen zog sich die Frau ihre Wanderjacke an, natürlich die gleiche, wie ihr Mann sie trug. Der hatte inzwischen den Rucksack geschultert und mit einem stummen Abschiedsgruß den Empfangsbereich verlassen. Kaum waren die beiden verschwunden, rumpelte es an der Tür. Gregor stieß sie mit dem Ellbogen auf und trat mit einem Armvoll Brennholz ein. Hinter ihm sah ich die Schubkarre, in der weitere Holzscheite lagen.

»I’m a Lumberjack and I’m okay. I sleep all night and I work all day«, dröhnte Gregors freie Interpretation des Monty-Python-Songs durch den Raum und erstarb, als er meine Miene erblickte. »Bianca, was ist los? Alles okay?«

»Hast du die beiden Wanderer gerade gesehen? Das waren unsere letzten Übernachtungsgäste.«

»Wie meinst du das?« Gregor versuchte vergeblich, mit seinen schlammbespritzten Stiefeln den Teppichen auszuweichen. Der Empfangsraum, einst Lagerstätte für die Säcke mit den Leinsamen, war klein und nicht für meinen Mann mit seinen breiten Schultern und den fast ein Meter neunzig gemacht. Wenn er nicht aufpasste, stieß er nahe den Wänden an die Decke, da sie sich dort noch weiter nach unten wölbte.

Ich lehnte mich über den Empfangstresen und vergrub das Gesicht in den Händen. Dabei hatte ich wieder dieses merkwürdige Gefühl. Als würde ich beobachtet werden. Als säße jemand oder etwas hinter mir und genösse mein Elend. Unwillkürlich erschauderte ich, widerstand jedoch dem Impuls, mich umzudrehen. Hinter mir befand sich ein kleines Fenster mit Butzenscheiben, durch das ich den Bach sehen und sogar ganz leises Plätschern hören konnte. Und das Mühlrad, das sich quietschend drehte. Sonst nichts.

Erst kürzlich hatte ich einen Artikel über eine Studie gelesen, in der wissenschaftlich widerlegt wurde, dass eine Person spüren konnte, wenn sie beobachtet wurde – auch wenn Filme und Bücher gerne das Gegenteil behaupteten. Niemand konnte Blickespüren, das war einfach unmöglich. Dass ich dieses Gefühl in den letzten Wochen wieder und wieder hatte, war einfach zu erklären: Meine Psyche spielte mir Streiche. Ich machte mir eine Menge Gedanken um das Risiko, das wir eingegangen waren, als wir den Plan gefasst hatten, die Mühle zu kaufen und instand zu setzen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Wir hatten uns zwar beide sofort in das alte Gemäuer verliebt und von einem Leben hier geträumt, aber ich war die treibende Kraft dabei gewesen, es Wirklichkeit werden zu lassen. Ich hatte G