1. KAPITEL
Kishorn Lodge, schottische Highlands, 1755
Die Mackenzies hatten einen lebhaften Streit darüber gehabt, wo die sterblichen Überreste der ehrwürdigen Griselda Mackenzie begraben werden sollten. Arran Mackenzie, ihr geliebter Cousin, wollte, dass sie zusammen mit allen anderen Mackenzies beerdigt wurde, die in den vergangenen zweihundert Jahren auf Balhaire, dem Familiensitz des Clans, gelebt hatten. Aber seine jüngste Tochter Catriona – die ihrem „Tantchen“ Zelda so nahegestanden hatte wie ihrer eigenen Mutter – wollte, dass sie auf Kishorn Lodge beerdigt wurde, wo Griselda den größten Teil ihres bemerkenswerten Lebens verbracht hatte.
Am Ende hatten sie sich auf einen Kompromiss geeinigt. Tante Zelda wurde in der Familiengruft auf Balhaire beigesetzt, aber einen Monat später fand ihr zu Ehren auf Kishorn eineféill statt. Damit war Catriona zufrieden, weil es die passende Feierlichkeit für eine Frau war, die ihr Leben immer nach ihren eigenen Regeln gelebt hatte.
Leider spielte das Wetter am Abend derféill nicht mit. Kishorn lag weit oben in den Highlands und war eigentlich nur mit einem Boot zu erreichen. Deswegen konnten nur die engsten Familienmitglieder des Mackenzie-Clans teilnehmen. Sie ruderten von Balhaire aus hinüber, an den Landsitzen Arrandale und Auchenard vorbei, die ebenfalls der Familie gehörten, und über den Loch Kishorn bis zu der Stelle, an der der Fluss in den Loch mündete, nach dem dieser benannt war.
So weit oben in den Highlands gab es sonst fast nichts und niemanden. Früher hatte es ein Dorf und ein hervorragendes Jagdrevier direkt am Flussufer gegeben, aber die waren beide längst aufgegeben. Ein Vorfahr der Mackenzies hatte ein Jagdhaus auf den Ruinen des Dorfes gebaut. Zelda war ihre Freiheit immer wichtiger gewesen als eine Ehe. Ihr Vater hatte ihr ihren Willen gelassen, und so war sie als junge Frau in das verlassene Jagdhaus gezogen. Sie hatte es über die Jahre liebevoll instand gesetzt und durch einen Anbau vergrößert und so zu ihrem Zuhause gemacht.
Das Einzige, was von dem ehemaligen Dorf geblieben war, war die Ruine einer Abtei, die auf einer Anhöhe stand, von der aus man das ganze Flusstal überblicken konnte. Sie war klein für eine Abtei, und niemand wusste, wem sie gehört hatte. Zelda hatte beschlossen, dass sie ihr gehörte und die Hälfte des ursprünglichen Gebäudes wieder bewohnbar gemacht. Die andere Hälfte – die früher einmal den Altarraum beherbergt hatte – hatte keine Wände und nur ein paar Balken und Bögen aus Stein, die von der Dachkonstruktion übrig geblieben waren. Sie hatte keinen praktischen Nutzen, nur die Kühe, die sich hin und wieder dort hinauf verirrten, fanden eine Atempause vom Wetter.
Wenn sie doch bloß auch ei