: Sascha Reh
: Großes Kino Roman
: Schöffling& Co.
: 9783731761822
: 1
: CHF 10.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Carsten Wuppke kann einfach seinen Mund nicht halten. Warum muss der Neuköllner Sozialarbeiter, der gerade Schwierigkeiten mit dem Gesetz hat, sich an der Supermarktkasse auch mit einem Polizisten anlegen? Und dann ausgerechnet einen Roller 'ausborgen', der Ali al-Safa, genannt 'der Chinese', gehört? Prompt verdonnert ihn der Clanchef zu ein paar Gefälligkeiten: Erst muss Wuppke seine Jungs in gewaltfreier Kommunikation coachen und dann ein krummes Immobiliengeschäft auf Sylt für ihn zurechtbiegen, das mit dem Naturschutz und dem Bürgermeisterwahlkampf in Konflikt steht. Aber mit Konflikten kennt Wuppke sich aus - denkt er zumindest, bis er auf die Familie des obersten Naturschützers und Bürgermeisterkandidaten trifft. Als ihm der Chinese auch noch seine Leute auf den Hals jagt, wird es brenzlig für Wuppke. Der neue Roman von Sascha Reh ist eine zitatgespickte Gangsterkomödie voller Sprachwitz und absurder Situationskomik, deren Held sich mit Eloquenz und Chuzpe durch die Inselhalbwelt mauschelt. 'Wuppke hatte eine Bewährungsstrafe wegen notdürftiger Tötung am Hals. Jedenfalls nannte er es seinem Bewährungshelfer Herrn Gottschild gegenüber so, weil er das witziger fand als Nötigung, und Humor wird umso wichtiger, je weniger man zu lachen hat.'

Sascha Reh, geboren 1974 in Duisburg, war früher selbst Sozialarbeiter. In dieser Zeit hat er die gewaltfreie Sprache, aber auch die ganzen Kraftausdrücke gelernt, die in seinem neuen Roman vorkommen. Heute lebt er als Schriftsteller zwischen Gangstern und Hipstern in Berlin-Neukölln.

1. Die Reise des Helden beginnt mit der Vorstellung seiner gewohnten Welt. Ein initialer Auslöser setzt die Handlung in Gang

Wie üblich bei dieser Art von Geschichten wird diese hier mit den Bullen enden, wobei zunächst wohl interessanter ist, wie sie anfängt, nämlich auch mit den Bullen. Das heißt: Geschichten fangen eigentlich nicht an. Sie ereignen sich und hören nicht auf. Aber das führt fürs Erste zu weit.

Was sich ereignete, war Folgendes. Wuppke machte einen späten Einkauf beim Rewe, Joghurt, oder was ihm sonst so fehlte in seinem kleinen Junggesellenhaushalt mit Balkonblick auf die Stadtautobahn, vielleicht kaufte er auch Bier, letztlich ist das ja seine Sache. Kam also ein Bulle in einer dieser blauen Sommeruniformen rein, kurzärmliges Hemd, schusssichere Weste, und ging wutentbrannt auf die Kassiererin los. Die scheiß Düse sei platt! Er fuchtelte mit einer Dose vor ihrem Gesicht herum, Wuppke dachte, es sei Kampfgas, dann sah er die Aufschrift: »ja! Sprühsahne«.

Es war Hauptsaison und dementsprechend warm, sogar hier im vollklimatisierten Untergeschoss des neuen Einkaufszentrums, das sie an die Karl-Marx hingestellt hatten, und vor Wuppke standen noch sechs Leute mit vollen Einkaufswagen, Quinoamüsli und Fair-Trade-Schokolade mit Chiligeschmack, oder was die jungen Leute neuerdings nicht alles essen. Wuppke wollte nur nach Hause und sich seinen Joghurt reinziehen.

Der Bulle, ein offenbar übermotivierter junger Typ mit imposantem Bizepsumfang und überholter Tribal-Tätowierung, beschwerte sich bei der Kassiererin schwallartig über die Sache mit der Dose. Und obwohl Wuppke keine Ahnung hatte, worin die Sache mit der Dose bestand, und sich auch nicht dafür interessierte, fand er es nicht richtig, dass ein Bulle, der ja irgendwo doch ein Vorbild sein sollte und so weiter, derart überheblich mit einer höchstwahrscheinlich unterbezahlten Kassiererin umsprang, fast schon wie mit einem gewöhnlichen Halunken oder Strolch, und alles nur wegen seiner Sprühsahne. Also konnte Wuppke – nicht zum ersten Mal in seinem Leben übrigens – sein Maul nicht halten und rief zu dem Bullen rüber: »Ey, kannst du mal nicht so ne Welle machen da vorne?«

Damit nahm die Geschichte beträchtlich an Fahrt auf. Die Sache war nämlich die, dass Wuppke vorbestraft war und sich solche Sprüche eigentlich nicht leisten konnte, schon gar nicht gegenüber einem Bullen mit Bizeps. Wuppke war nicht schlimm vorbestraft, nur ein bisschen, aber es würde ausreichen, um den Joghurt für heute Abend aus dem Programm zu streichen, und morgen wahrscheinlich auch.

Wuppke hatte eine Bewährungsstrafe wegen notdürftiger Tötung am Hals. Jedenfalls nannte er es seinem Bewährungshelfer Herrn Gottschild gegenüber so, weil er das witziger fand als Nötigung, und Humor wird umso wichtiger, je weniger man zu lachen hat. Letzten Dienstag hätte er zu seinem Herrn Gottschild in den Wedding fahren sollen, was am anderen Ende der Stadt liegt, aber Wuppke hatte verpennt, dann war seine Prepaidkarte leer gewesen, und als er sich doch noch in die U-Bahn gequält hatte, waren am Hermannplatz Kontrolleure von der Sorte gescheiterte Gerüstbauer zugestiegen. Da hatte er die Krise gekriegt und war wieder nach Hause.

Das war, wie sich noch zeigen wird, Wuppkes größtes Problem, dass er nämlich manchmal von jetzt auf gleich bockig werden konnte und dann aus der Rolle fiel. Außerdem ließ er sich in letzter Zeit ein bisschen hängen.

Jedenfalls war heute schon Donnerstag, und er hatte sich vorgenommen, Gottschild gleich morgen früh anzurufen und ihm die ganze Sache zu erklären. Oder viellei