1. KAPITEL
„Ich flehe dich an, bitte nicht pressen!“ Sean Connolly spähte misstrauisch in den Rückspiegel, dann lenkte er den Blick sofort wieder auf das kurvige Sträßchen vor sich. Warum zum Teufel war das Los ausgerechnet auf ihn gefallen, eine Hochschwangere mit heftigen Wehen ins Krankenhaus zu fahren?
„Konzentrier dich lieber auf die Straße, Sean“, fuhr ihn sein Cousin Ronan vom Rücksitz aus an. Er hielt seine Frau mit dem riesigen Babybauch fest im Arm, da der Anschnallgurt für sie zu kurz war.
„Ronan hat recht“, warf Georgia Page vom Beifahrersitz aus ein. „Konzentrier dich aufs Fahren, Sean.“ Sie drehte sich zur Rückbank um. „Halt durch, Laura“, machte sie ihrer Schwester Mut. „Wir sind gleich da.“
„Nun beruhigt euch alle mal“, meldete sich Laura. „Ich werde schon keine Sturzgeburt im Auto haben.“
„Alles, nur das nicht“, murmelte Sean und gab Gas.
Bis jetzt hatten ihm die schmalen, kurvigen Sträßchen seines Heimatlands Irland nichts ausgemacht. Aber an diesem Abend wünschte er sich nichts sehnlicher als dreißig Kilometer freie Autobahn bis zum Krankenhaus in Westport.
„Deine spöttische Bemerkung ist nicht gerade hilfreich“, sagte Georgia mit einem kritischen Seitenblick zu ihm.
„Immerhin fahre ich ja“, entgegnete er. Ein verstohlener Blick in den Rückspiegel zeigte ihm Lauras schmerzverzerrtes Gesicht.
Sie stöhnte, und Sean biss die Zähne zusammen. Zu der normalen Panikreaktion eines Mannes in Gegenwart einer Frau in Wehen kam erschwerend hinzu, dass sein Cousin halb verrückt war vor Sorge um seine heiß geliebte Ehefrau. Sean beneidete Ronan bisweilen insgeheim ein wenig, andererseits dachte er im Moment auch erleichtert: Ronan, ich möchte nicht mit dir tauschen …
Seltsam, wie schnell das Leben für einen Mann kompliziert werden konnte, wenn er nicht aufpasste. Vor einem Jahr noch waren er und sein Cousin Ronan fröhliche, eingeschworene Singles gewesen. Und jetzt war Ronan verheiratet, künftiger Vater, und Sean war gerade mit dabei, der nächsten Generation der Connollys auf die Welt zu verhelfen. Er und Ronan wohnten nur ein paar Minuten voneinander entfernt und waren eher wie Brüder aufgewachsen als wie Cousins.
„Kannst du nicht ein bisschen mehr auf die Tube drücken?“, flüsterte ihm Georgia zu.
Georgia, Lauras Schwester, war eine kluge, hübsche Frau mit einem Hang zum Sarkasmus, eine Frau, die nicht nur Seans Humor und Intelligenz herausforderte, sondern ihn zugleich auch körperlich anzog. Bisher hatte er Distanz zu ihr gewahrt. Sich mit Georgia Page einzulassen, würde die ganze Situation nur noch komplizierter machen. Zumal ihre Schwester mit seinem Cousin verheiratet war und Ronan auf einmal absurde Beschützerinstinkte in Bezug auf die Frauen seiner Familie entwickelte, für die er sich persönlich verantwortlich fühlte.
Das fand Sean reichlich altmodisch für einen Mann, der bis vor Kurzem noch keine Gelegenheit ausgelassen hatte, um mit seinen zahllosen Verehrerinnen zu flirten.
Trotzdem war Sean auch froh, dass Georgia jetzt in dieser heiklen Situation mit dabei war. Allein schon wegen ihres gesunden Menschenverstands. Zumindest konnten sich Georgia und Sean gegenseitig den Rücken stärken, und dafür war er dankbar.
Sean sah sie verstohlen von der Seite an und raunte: „Wenn ich nachts auf dieser Straße noch schneller fahre, dann landen wir alle in der Klinik.“
„Ganz recht.“ Georgia hielt den Blick konzentriert auf die Straße vor ihnen gerichtet und beugte sich vor, als könnte sie durch schiere Willenskraft das Tempo des Wagens erhöhen.
Wenn das irgendjemand schafft, dann Georgia Page, dachte Sean. Er hatte sie vor einem Jahr auf Ronans und Lauras Hochzeit kennengelernt. Und d