Erstes Kapitel
O fette weiße Frau, die niemand liebt
FRANCES CROFTS CORNFORD
Es war ein blauer Tag in den schottischen West Highlands, als Police Constable Hamish Macbeth an der Küste des Dorfes Lochdubh entlangschlenderte. Und »blau« bedeutete, dass es ein perfekter Tag war, an dem ein blauer Himmel über dem blauen Loch hing. Die Berge ragten in einem dunkleren Blau vor einer blauen Unendlichkeit in der Ferne auf, als wäre Sutherland im Norden Schottlands grenzenlos, ein nicht endendes Paradies von frischer Luft und Sonnenschein.
Es war ein schlimmer Winter gewesen, gefolgt von einem verregneten Frühling, doch endlich war der Sommer, der bestenfalls sechs Wochen dauerte, in all seiner Pracht da. Für die Leute, die an Regen, Feuchtigkeit und starke Winde gewöhnt waren, fühlte er sich noch fremd an.
Kleine, seidige Wellen kräuselten sich am Strand. Alles schwamm träge im klaren Licht. Noch nie waren die Rosen in den kleinen Dorfgärten üppiger und farbenprächtiger gewesen. Dougie, der Wildhüter auf Colonel Halburton-Smythes Anwesen, erzählte jedem, der ihm zuhören wollte, dass die ungewöhnliche Blüte einen harten Winter verhieß. Doch nur wenige wollten ihm glauben. Es war, als wäre ganz Lochdubh in einer Zeitkapsel eingefroren, denn ein herrlicher Tag folgte auf den anderen. Das ohnehin nie sehr forsche Leben verlangsamte sich zu einem Kriechen. Alte Streitigkeiten und Animositäten waren vergessen.
All das war dem von Natur aus bequemen Hamish Macbeth nur recht. Seit einiger Zeit hatte es überhaupt keine Gesetzesverstöße mehr gegeben. Und sein häufig enervierender Vorgesetzter, Chief Inspector Blair aus Strathbane, machte irgendwo in Spanien Urlaub. Hamish hatte vor, zum Hafen zu gehen und mit jedem Fischer zu plaudern, der zufällig Netze flickte. Danach würde er vielleicht auf einen Kaffee mit Priscilla Halburton-Smythe – der einstigen Liebe seines Lebens, auch wenn sie es nicht gewusst hatte – hinauf zumTommel Castle Hotel fahren.
Der Fischer Archie Maclean hockte auf dem Rand der Hafenmauer und blickte hinaus zum Loch, wo die ankernden Boote sanft auf dem Wasser wippten. »Na, was für ein schöner Tag, Hamish!«, sagte er, als sich der Polizist näherte.
»Aber nicht so gut zum Fischen«, stimmte Hamish freundlich zu.
»Doch, das geht. Die Fische springen ganz gut in die Netze. Hast du eine Zigarette für mich?«
»Du weißt doch, dass ich schon lange aufgehört habe zu rauchen«, antwortete Hamish wehmütig. Würde das gelegentliche Lechzen nach einer Zigarette jemals verschwinden? Es wäre großartig, sich eine anzustecken und genüsslich zu paffen.
»Ach, tja, dann hole ich mir eben welche bei Patel.« Archie schwang sich von der Hafenmauer, und beide Männer gingen in Richtung des Dorfladens.
Priscilla Halburt