: Sabine Weiß
: Blutige Düne Sylt-Krimi
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732586042
: Liv Lammers
: 1
: CHF 8.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 415
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ein kalter Sturm fegt über Sylt, und wer schuldig ist, wird sterben ...


Der lang ersehnte Kurzurlaub von Kommissarin Liv Lammers endet abrupt, als in der Mörderkuhle bei Tinnum ein Toter gefunden wird. 'Schuldig' steht mit schwarzem Nagellack auf seiner Haut. Das Opfer: ein Rocker, der für seine Skrupellosigkeit bekannt ist. Liv und ihre Kollegen von der Flensburger Mordkommission denken zunächst an eine Vergeltungsaktion. Doch bald gibt es einen zweiten Mordanschlag auf einen jungen Mann, der als Freiwilliger für eine Meeresschutz-Organisation arbeitet. Die Handschrift des Täters ist dieselbe ...


Liv Lammers ermittelt in ihrem vierten Fall auf Deutschlands beliebtester Ferieninsel



Sabine Weiß, Jahrgang 1968, arbeitete nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. Seit 2007 veröffentlicht sie erfolgreich Historische Romane, seit 2017 zusätzlich Krimis. Um an den Schauplätzen zu recherchieren, reist sie im Camper auf den Spuren ihrer Figuren durch Europa. Wenn sie nicht unterwegs ist, lebt Sabine Weiß mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von Hamburg.

3


Westerland, 12.23 Uhr


Liv trug das Surfbrett aus der Brandung. Auch wenn im September das Meer noch aufgeheizt vom Sommer war, zitterte sie am ganzen Leib. Der Ritt über die Wellen war erfüllend, aber auch kräftezehrend gewesen. Geschick, Tempo, Kraft – die Nordsee vor dem Brandenburger Strand hatte sie komplett gefordert. Dabei war der Sturm, der gestern über die Insel gefegt war, deutlich abgeflaut. Aber mit seiner kraftvollen Brandung und den Sandbänken war es eben ein anspruchsvolles Surfrevier, nicht umsonst maßen sich hier alljährlich die weltbesten Windsurfer.

Am Strand puderte feiner Sand ihre Füße. Liv legte Board und Rigg hin, wrang das Salzwasser aus den langen rotblonden Haaren und ließ den Blick schweifen. Obgleich Wolkenbank und Sonne noch um die Vorherrschaft kämpften, belebte sich der Strand vor der Westerländer Promenade stetig. In den Übergangsmonaten war das Wetter auf Sylt wie eine Wundertüte. Liv liebte die Nordseeküste bei jeder Witterung. Wenn die Sonne im Meer glitzerte und die Dünen oder das Kliff zum Strahlen brachte, kam sie zur Ruhe. Wenn der Sturm das Meer aufbäumte, Dünengräser durchzauste und Bäume in ihre windschiefe Form zwang, fühlte sie sich quicklebendig. Und sie liebte den Sound des Meeres: das Brodeln der Brandung genauso wie das Knistern und Glucksen des Watts, das heisere Rascheln des Strandhafers und des Flugsands, das Lied der Meerstrandläufer ebenso wie das gehässige Keckern der Möwen. Glasblau brandete die Nordsee vor ihr an den Strand und ließ Millionen winziger Tropfen aufsprühen, die in der Luft funkelten. Liv genoss das Glück dieses Augenblicks. Sie schmeckte das Meersalz auf den Lippen und atmete so tief ein, dass sie die Nordseeluft bis in ihre Schlüsselbeine und hinein in das Zwerchfell zu spüren meinte.

Jetzt suchte sie die Nordsee nach Sanna und Jan ab. Endlich hatte Liv die Jugendlichen entdeckt, die weit draußen mit den Wellen kämpften. Gebannt sah sie zu, wie Jan auf seinem Board zu einem Frontloop ansetzte: Ihr sechzehnjähriger Neffe war ein erfahrener Windsurfer. Sein Freund Kimi war sogar noch besser; bei ihm hatte das Surfen eine akrobatische Leichtigkeit. Es machte Spaß, den beiden bei ihren Manövern zuzusehen.

Einen Augenblick liebäugelte Liv damit, sich wieder in die Wellen zu stürzen. Ihre Augen suchten ihre Tochter. Sanna kämpfte mit einer Halse. Auch dieses Mal gelang der Bugwechsel nicht, und ihre Tochter landete im Wasser. Sicher hätte Liv ihr den einen oder anderen Tipp geben können, aber Sanna war fünfzehn, und die Letzte, auf die sie derzeit hören würde, war die eigene Mutter. Sanna nabelte sich ab, das war unverkennbar. Dass Liv mit ihren dreißig Jahren selbst noch jung war, gerne feierte und flirtete, machte ihr Zusammenleben nicht einfacher. Und der Streit ums Geld setzte ihnen natürlich auch zu. Seit Wochen lag Sanna ihr in den Ohren, weil sie am Schüleraustausch teilnehmen wollte; ausgerechnet nach Japan sollte es gehen. Alle ihre Freundinnen fuhren mit. Natürlich wollte Liv ihrer Tochter diese Chance gerne geben, aber mit ihr als Alleinverdienerin war das Familienbudget eben knapp. Zumal sich die nächste Reparatur ihres alte