: Karen Kliewe
: Letzte Spur: Ostsee Ein Ostsee-Krimi
: Piper Verlag
: 9783492986878
: Ein Fall für Journalistin Arnold
: 1
: CHF 4.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 350
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Journalistin Johanna Arnold ermittelt in ihrem ersten Fall: ein packender Ostsee-Krimi mit viel Küstenflair und einem Geheimnis aus der Vergangenheit. Für alle LeserInnen von Eva Almstädt und Katharina Peters Eine Nacht im August 2004. Die alten, krüppeligen Birken versperren die Sicht auf den Mond und die ungewöhnlich raue Ostsee. Entlang der Steilklippen des Urlaubs-Örtchens Rerik rennt ein schwedisches Mädchen um sein Leben. Was ist mit ihr geschehen? Wohin ist sie verschwunden? Genau diese Fragen stellt sich die Journalistik-Studentin Johanna Arnold zwölf Jahre später, als ihr ein alter Zeitungsbericht in die Hände fällt. Das frech grinsende Mädchen auf dem abgedruckten Foto könnte ihr Zwilling sein. Als sie sich auf die Suche nach ihrer Doppelgängerin macht, ahnt sie nicht, welch mörderische Kettenreaktion ihre Recherchen in Gang setzen...

Karen Kliewe wurde 1970 in Westfalen geboren, ist verheiratet und Mutter einer Tochter. Nach ihrer Ausbildung zur Fotografin studierte sie Visuelle Kommunikation, arbeitete als Illustratorin, Grafik-Designerin und Fotografin. Ihr Debüt erschien 2020 und bildete den Auftakt einer Serie um die Journalistin Johanna Arnold

Kapitel 2


Rostock

Sie traf sich mit Lisa Rieckhoff im ›Törtcheneck‹, einem kleinen Café in der Großen Wasserstraße in Rostock. Der Name war innen wie außen Programm. Eingerahmt von zwei monumentalen Steinsäulen in Form zweier griechisch anmutender, leicht bekleideter Männer-Statuen, die die Last eines Erkers trugen, bildete die Ecke den Eingang des kleinen Cafés. Das Gebäude war, wie die meisten in dieser Straße, aufwendig restauriert und strahlte in den Farben Lachs, Rosé und Weiß. Die Atmosphäre im Innern war gemütlich. Es gab eine große Vielfalt kunstvoll verzierter Torten, Muffins, Cup-Cakes und Donuts. Ann entschied sich für einen Himbeer-Muffin mit Latte Macchiato.

Lisa Rieckhoff war um einiges jünger, als sie vermutet hatte. Sie stellten sich vor, und Ann berichtete von ihrem Anliegen. Dann sah sie der Frau schweigend dabei zu, wie diese ein riesiges Stück Torte in ihren Mund stopfte und zu kauen begann. Die arbeitenden Kiefermuskeln und der leicht verzerrte, sabbernde Mund entbehrten jeglicher Ästhetik. Ein Teil des Teigs schien fliehen zu wollen, schloss sich zu größeren Krümelpäckchen zusammen, stürzte sich aus dem Maul des alles verschlingenden Wesens, sprang todesmutig von der Tischplatte in den dunklen Untergrund des Café-Bodens – wo er für immer verschwand.

Könntest du dich vielleicht mal konzentrieren?

Eben noch war Ann voller Vorfreude, voller Neugier gewesen. Die Recherche – das war es, was sie an diesem Job am meisten liebte. Das Wühlen in alten Papieren und Datensätzen. Das Kennenlernen verschiedenster Persönlichkeiten. Die Erkenntnis, wenn die vielen kleinen Puzzleteilchen plötzlich einen Sinn ergaben.

Nun kam ihr die Aktion plötzlich total überflüssig vor. Was versprach sie sich von dem Treffen? Was sollte es bringen, sich mit jemandem zu unterhalten, der die beiden vom Foto nie getroffen hatte? Und dann diese Geschichte von ihr und ihrer angeblichen Jugendliebe – was für ein Nonsens!

»So, deine Großeltern leben also in Rerik? Ich komm ja aus der Nähe von Kröpelin. Ist aber auch nicht so spannend. Wollte immer weg hier. Für die großen Blätter schreiben. War aber wohl nicht gut genug. Also bediene ich sämtliche Käseblätter der Umgebung, sofern die mir meine Artikel überhaupt abkaufen. Nebenbei geh ich putzen und helfe in einer Heißmangel aus. Was hast du gesagt? Von wann ist der Artikel?«

Ann zeigte ihr das PDF der Zeitungsseite und das Handyfoto.

»Oh Mann, das war das erste Jahr, in dem ich Berichte veröffentlicht habe. Kohle bekam man da noch keine. Alles nur für die Anerkennung. Und in der Hoffnung auf zukünftige, regelmäßige Anfragen. Damals dachte ich noch, ich hätte eine tolle Karriere vor mir. Ich bestell mir noch was. Du lädst mich doch ein? Ich bin immer froh, wenn es Menschen gibt, die brotlose Schreiberlinge unterstützen. Na ja, schließlich bin ich extra für dich hergekommen. Der Sprit allein!«

Sie bestellte sich noch ein Stück Sahnetorte und einen großen Milchkaffee.

Ekelige Schmarotzer.

»Ich weiß allerdings nicht, wie ich dir helfen könnte. Ich meine, ich würde ja gern. Deine Geschichte ist schon …«, sie zögerte, »… niedlich. Aber das ist zwölf Jahre her und war nicht grade ein Meilenstein der Geschichte.« Sie lachte, gab dabei einen seltsamen Krächzlaut von sich und entblößte ihre schief stehenden Vorderzähne.

Was für ein Reinfall. Ann bezweifelte, dass die Dame eine fundierte Ausbildung besaß.

Na, gibst du schon wieder auf? Verkriech dich doch in deiner Filmkulisse. Nur nichts riskieren!

Halt den Mund,