Die traditionellen Bezugsrahmen wie Kirchen, Gewerkschaften und Parteien haben seit meiner Kindheit massiv an Einfluss verloren. Im Jahr 1990 hatten die beiden Kirchen in Deutschland zum Beispiel noch 57,9 Mio. Mitglieder. 2018 waren davon gerade einmal 44,1 Mio. Mitglieder übrig.11 Das klingt dramatisch, ist allerdings aller Ehren wert, wenn man sich anschaut, wie SPD, CDU/CSU, FDP und Die Linke es geschafft haben, in den 30 Jahren nach der Wende ihre Mitgliederzahlen zu pulverisieren: Die SPD ist zwar noch immer der Spitzenreiter, hat aber von den einstmals rund 943.000 Mitgliedern der Wendezeit nur noch 419.000 bis 2019 halten können. Der CDU geht es ähnlich und sie profitiert nur davon, dass man in Bayern der CSU noch deutlich stärker die Treue hält. Besonders krass ist die Auflösung der Partei Die Linke, die mit 280.000 Mitgliedern als PDS gestartet ist und trotz der Fusion mit Oskars SPD-Spaltern drei Jahrzehnte später gerade noch 61.000 Mitglieder aufweist. Der FDP haben fast zwei Drittel der Menschen den Rücken gekehrt und einziger Profiteur jener Zeitbetrachtung sind die Grünen. Doch auch deren positive Entwicklung kann das Gesamtbild nicht beschönigen: Die Anzahl der Mitglieder der Bundestagsparteien hat sich von mehr als 2,4 Mio. auf mittlerweile 1,22 Mio. halbiert.12 Natürlich geht es den Gewerkschaften auch nicht besser, so hat alleine der DGB 2018 von den 1991 verzeichneten 11,8 Mio. Mitgliedern nur noch 5,9 Mio. sein Eigen nennen dürfen.
Nun kann man sich ja fragen, welche neuen Interessensvereinigungen sich die Menschen in der Zeit gesucht haben, und ein Teil der Menschen haben zum Beispiel den Profifußball zu ihrer Ersatzreligion erhoben. Der FC Bayern München e.V. ist tatsächlich der Sportverein mit den mit Abstand meisten Mitgliedern auf der Welt: Über 293.000 waren es bereits 2019 und der zweitplatzierte Verein aus Portugal hatte 60.000 Mitglieder weniger. Überhaupt dominiert in dieser Statistik die Bundesliga, denn in den Top 20 der mitgliederstärksten Sportvereine der Welt sind sieben Clubs aus Deutschland zu finden. Zählt man die weiteren deutschen Vereine aus anderen Bereichen hinzu, so sind es gar neun.13 Aber lassen wir die Fußballgötter mal außen vor …
Während wie oben beschrieben die Kirchen massiv an Zuspruch verlieren, ist es keineswegs so, dass die Menschen sich weniger für das Leben, höheren Sinn, Glauben, Bewusstsein und die Geistige Welt interessieren. Im Gegenteil: Aus dem Jahr 2012 stammt eine Studie, die den Glauben der Menschen in Westdeutschland untersucht hat. Dabei kam heraus, dass sich 34 % der Menschen als weder religiös noch spirituell bezeichnet haben, und so kommen wir auf eine Zweidrittelmehrheit von 66 %, der Glauben wichtig ist. Von diesen 66 % gaben gerundet 41 % an, religiös zu sein, aber nicht spirituell. 13 % der Menschen bezeichneten sich als spirituell und nicht religiös sowie nochmals 13 % als spirituell und religiös. Um es auf den Punkt zu bringen: Bereits 2012 bezeichneten sich in Deutsc