: Mirjam Gaßmann, Werner Marschall, Jörg Utschakowski
: M. Gaßmann, W. Marschall, J. Utschakowski
: Psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege - Mental Health Care Mental Health Care
: Springer-Verlag
: 9783540317050
: 1
: CHF 5.10
:
: Pflege
: German
: 408
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF

Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Organe. Daher benötigen Pflegende umfassende Kenntnisse über psychische, somatische, soziale und rechtliche Aspekte der psychiatrischen Pflege. Diese vermittelt das vorliegende praxisbezogene Grundlagenwerk. Es beinhaltet Grundlagen und spezifisches Fachwissen für alle Bereiche und Berufsfelder der Psychiatrie. Empfehlenswert u.a. als Lehrbuch für Teilnehmer einer Fachweiterbildung. Neueren Entwicklungen des Gesundheitssystems entsprechend, sind alle Bereiche der Versorgung unter besonderer Berücksichtigung der Gesundheitsförderung integriert.



Mirijam  Gaßmann: Leiterin d r Fachweiterbildung Psychiatrische Pflege, Charité, Berlin, Gesundheitswissenschaftlerin< P>

Werner Marschall: Pflegeleitung Psychiatrie, Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité, Berlin, Gesundheitswissenschaftler

Beide haben das erste Curriculum für die FWB Psychiatrische Pflege entwickelt.

Jörg Utschakowski: Projektleiter WAP (Weiterbildung ambulante psychiatrische Fachkrankenpflege), Bremen

 

23 Pflege bei Abhängigkeitserkrankungen (S. 309-311)

Rosemarie Heger

In Kürze

Substanzabhängigkeit ist im Pflegealltag ein verbreitetes Phänomen. Wir sehen Konsumenten legaler Drogen, wie Alkohol und Tabak, und Konsumenten illegaler Drogen, wie Heroin, Kokain, Cannabis etc., aber auch z. B. Menschen, die spiel- oder essbrechsüchtig sind. Zentrales Merkmal aller Abhängigkeitserkrankungen ist die psychische Abhängigkeit. In der Pflege begegnet man vorwiegend der Droge Nr. 1, dem Alkohol und den alkoholbezogenen Störungen. Daher werden in diesem Kapitel exemplarisch die Alkoholproblematik und der pflegerische Umgang damit behandelt. Jährlich sterben in Deutschland etwa 42 000 Menschen an den direkten oder indirekten Folgen des Alkoholmissbrauchs (DHS, 2004).

Diese Zahl deutet auf ein erhebliches gesundheitspolitisches Problem hin. Während das Hilfesystem bzw. die Hilfeangebote für Suchtkranke relativ gut ausgebaut sind, besteht nach wie vor Handlungsbedarf in der Kooperation der Träger der Hilfeangebote untereinander. Den Pflegekräften in den verschiedenen Versorgungsfeldern (stationär, ambulant, ambulantkomplementär etc.) kann hier eine besondere Rolle zukommen, nämlich die, eine systemübergreifende Hilfeplanung mit zu initiieren bzw. zu begleiten. Nach der Definition der Welt-Gesundheits- Or ganisation (WHO) ist diejenige Person substanzabhängig, die ohne die Droge nicht mehr leben kann bzw. die Kontrolle über die Menge der konsumierten Substanz verloren hat (Kontrollverlust).

Beeinflusst wird der Umgang mit Alkoholabhängigen auch durch die negative soziale Bewertung, die dieser Personenkreis in der Gesellschaft erfährt. Auch im Pflegealltag zeigen Alkoholabhängige nicht selten ein widerständiges, wenig krankheitsein sichtiges und behandlungsbereites sowie mitunter »unzuverlässiges« Verhalten. Diese krankheitsbedingten Verhaltensweisen stellen das Pflegepersonal vor eine große Herausforderung, der es mit geeigneten Methoden zu begegnen gilt. Der angemessene Umgang mit diesen, der Abhängigkeitserkrankung inhärenten Störungen ermöglicht nicht nur einen ressourcenorientierten Pflegeprozess, sondern fördert die Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft des betroffenen Patienten.

Die Kenntnis des Verlaufs und des Charakters der Alkoholkrankheit ist eine wesentliche Voraussetzung des Verstehens dieser Patienten und der professionellen Einordnung der Verhaltensauffälligkeiten. Ressourcen- und lösungsorientierte Kurzintervention sowie Regeln der motivierenden Gesprächsführung werden ebenso Thema sein wie der Blick auf co-abhängiges Verhalten. Am Kapitelende wird auf die Frage »Was kommt danach?« eingegangen.


Wissensinhalte

Nach dem Studium dieses Kapitels wissen Sie: 

* was mögliche Indikatoren einer Alkoholabhängigkeit sind
* wie sich ein typischer Verlauf des Gamma-Alkoholismus gestaltet
* welche körperlichen Schäden durch Alkoholmissbrauch verursacht werden
* welche Behandlungsschritte denkbar sind
* wie man im Pflegealltag Abwehrmechanismen des Patienten begegnen kann
* welche pflegerische Kommunikation die Krankheitseinsicht fördert
* wie co-abhängigem Verhalten im Pflegealltag begegnet werden kann
* wohin Abhängigkeitskranke entlassen werden können

23.1 Entstehungsbedingungen

Zur Erklärung des Phänomens Suchtmittelabhängigkeit wurden zahlreiche Modelle entwickelt. Das derzeit gängige Modell beschreibt ein multifaktorielles bio-psychosoziales Bedingungsgefüge. Dieses erklärt sich: 
* aus der Droge selbst, ihrer psychotropen Wirkung und ihrem Abhängigkeitspotenzial, 
* aus der sozialen Griffnähe, also auch der kulturellen bzw. gesellschaftlichen Akzeptanz der Droge, 
* aus den spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen des konsumierenden Individuums.

Diese drei Merkmale sind je nach Droge, gesellschaftlichen Bedingungen sowie der Persönlichkeit des Konsumenten unterschiedlich wirksam und bedingen sich gegenseitig. Das Abhängigkeitspotenzial einer Substanz wird bestimmt durch die psychotrope Wirkung und durch die Entwicklung einer Gewöhnung sowie einer Toleranzsteigerung bis hin zur körperlichen Abhängigkeit. Aufgrund seiner entspannenden und enthemmenden Wirkung hat Alkohol ein relativ hohes Suchtpotenzial.

DieGriffnähe beschreibt, wie gesellschaftlich akzeptiert die Droge ist und wie einfach oder auch kompliziert ihre Beschaffung und Finanzierung ist.
Geleitwort5
Geleitwort der Robert Bosch Stiftung7
Vorwort9
Inhaltsverzeichnis11
Autorenverzeichnis15
Die Herausgeber17
I Grundlagen der psychiatrischen Pflege18
1 Zur Geschichte der Psychiatrie und der psychiatrischen Krankenpflege im deutschsprachigen Raum19
1.1 Die frühe institutionalisierte Psychiatrie21
1.2 Entkriminalisierung, Entmystifizierung, Medikalisierung21
1.3 Frühe Formen der institutionalisierten Krankenpflege23
1.4 Der gesellschaftliche und medizinische Kontext des 19. Jahrhunderts23
1.5 Die neurologische Wende25
1.6 Psychotherapeutische Einflüsse25
1.7 Der Darwinismus und die Degenerations-Hypothese26
1.8 Trauma und Krieg27
1.9 Pflege und Psychiatrie im Nationalsozialismus27
1.10 Die Nachkriegszeit in den beiden deutschen Staaten28
1.11 Die Reformen der 1970er Jahre29
1.12 Ausblick30
Literatur32
2 Pflege in der Psychiatrie: Konzepte und Modelle34
2.1 Pflegeforschung35
2.1.1 Grundlagen der quantitativen und qualitativen Pflegeforschung35
2.1.2 Qualitative Pflegeforschung37
2.1.3 Evaluationsforschung39
2.1.4 Forschungsbeispiele aus der Psychiatrie40
2.2 Pflegetheorien und Pflegeverständnis40
2.2.1 Pflegemodelle von Dorothea Orem und Imogene King43
2.2.2 Praxisbeispiel: Der Pflegeprozess in der Psychiatrie – eine Kombination aus Orem und King47
2.2.3 Krankheitsverlaufskurven – das Corbin-Strauss-(Pflege) Modell49
Literatur53
3 Gesundheitsförderung in der Psychiatrie: Konzepte und Modelle56
3.1 Gesundheit und Krankheit57
3.2 Grenzen de57