: Traian Suttles
: VIREN Phänomen, Rätsel, Bedrohung
: kurz& bündig Verlag
: 9783907126424
: 1
: CHF 11,60
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: Biologie
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nicht nur in Pandemiesituationen wird der Menschheit bewusst, wie gefährlich Viren sein können und wie ungeheuer effektiv ihre Überlebensstrategie ist, obwohl diese Krankheitserreger schwerlich als Lebewesen einzustufen sind. Einem uns unverständlichen Bereich zwischen 'leblos' und 'lebendig' angehörend, vermochten Viren die Forschung immer wieder zu überraschen, doch auch herauszufordern und zu inspirieren. Dass Fachmänner ebenso wie Nicht-Fachleute durch die rätselhafte Daseinsform der Viren ganz neue Einsichten in unser Verhältnis zur Natur erlangen, soll das vorliegende Buch zeigen. Ein spannender Einblick in eine fast unsichtbare Welt, leicht verständlich und abwechslungsreich erzählt. Viren - ein Schatten der Evolution. Wir kennen sie als Fluch, aber je näher man hinschaut, um so mehr offenbart ihre geheimnisvolle Doppelnatur ganz andere Seiten.

Traian Suttles wurde als britischer Staatsbürger in Hamburg geboren und erhielt später die deutsche Staatsangehörigkeit. Ein Studium der Biologie in Frankfurt am Main beendete er mit Promotion auf evolutionsbiologischem Gebiet; zusätzliches Interessensgebiet ist die Geschichte der Lebenswissenschaften von den Anfängen bis zur Gegenwart. Daneben speziellere kulturgeschichtliche Untersuchungen, unter anderem zu den Themen Literatur und Film.

1) Viren – ein Schatten der Evolution

Nach allem, was wir heute wissen, kann man Viren als ein Epiphänomen der biologischen Evolution bezeichnen. Mit dieser stark vereinfachenden Formulierung jedenfalls lassen sich zwei lehrbuchkonforme Sichtweisen zusammenführen, die unsere Auffassung von Viren leiten. Erstens: Viren werden nach gängigen Definitionen nicht als Lebewesen eingestuft; ihre Existenz jedoch ist zwingend an die Existenz von Lebewesen gebunden. Zweitens:Viren durchlaufen seit langer Zeit eine Parallelevolution zu «normalen» Lebensformen, also zu solchen mit zellulärer Organisation. Sie selbst sind nicht zellulär aufgebaut und haben keinen Stoffwechsel, sind jedoch ständige – und dabei enorm erfolgreiche – Begleiter der durch Zellen und Stoffwechsel charakterisierten planetaren Lebewelt.

Das Dasein der Lebewesen und das Dasein der Viren lassen sich kategorial unterscheiden, indem man eine Einteilung in Biosphäre und Virosphäre vornimmt. Der Biosphäre gehören einzellige und vielzellige Organismen an. Die Virosphäre hingegen umfasst nicht-zelluläre Entitäten, die in aller Regel viel kleiner sind als die kleinsten einzelligen Lebensformen. Die Grundbausteine, aus denen die Viren bestehen, sind auch in der Biosphäre von zentraler Bedeutung; es handelt sich um Proteine (umgangssprachlich Eiweiße) und Nukleinsäuren (Erbsubstanz). Doch für die Biosphäre ist deren ständige Zustandsveränderung (von räumlichen Verschiebungen bis zum Auf- und Abbau im Stoffwechselgeschehen) charakteristisch, während die Proteine und Nukleinsäuren der Viren gleichsam statisch daherkommen: Man findet bei ihnen keinerlei Stoffwechselvorgänge. Bedingt durch diesen scharfen Kon­trast kann man Viren schwerlich als Lebewesen bezeichnen; eher handelt es sich um Mikropartikel, die darauf warten, mit dem Stoffwechselsystem lebender Zellen in Kontakt zu kommen. Nur wenn dies geschieht, haben Viren eine Chance, sich zu
vermehren: Sie benötigen bestimmte, innerhalb der Zellen ablaufende Stoffwechselreaktionen und deren Beschleuniger (Enzyme), um ihre eigene Vermehrung (Reproduktion) zu realisieren – ganz grundsätzlich etwa die Energie liefernden
Mechanismen, die jedem Stoffwechselgeschehen zugrunde liegen. Gelingt ihnen eine solche Vermehrung auf Kosten des Wirtes, können sie ihre Wirtszelle (beziehungsweise ihren Wirtsorganismus) wieder verlassen und auf den nächsten Durchgang warten: Ihre Existenz wechselt zwischen einer «passiven» (stoffwechselphysiologisch statischen) und einer «aktiven» Phase hin und her, wobei die aktive, wie geschildert, mit dem Kontakt zu einer geeigneten, angreifbaren Zelle eingeleitet wird.Sie sind als obligate Zellparasiten zu definieren, also ausnahmslos auf das Milieu einer Wirtszelle angewiesen, um eigene Nachfolgegenerationen hervorzubringen.

Doch wenn von «passiven» oder «wartenden» Viren und solchen, die beim Kontakt mit einer Wirtszelle «aktiv» werden und «angreifen», die Rede ist, bemerkt man schon die Schwierigkeiten, die sich bei der sprachlichen Beschreibung einstellen. In Texten, die das eigentümliche Dasein der Viren darlegen, ist es generell schwer zu vermeiden, sie als lebend oder quasi-lebendig darzustellen. Vor allem muss man Viren attestieren, dass sie gemessen an ihrer simplen Organisation eine ungeheuer effiziente Überlebensstrategie entwickelt haben – rein quantitativ übe