: Heidi Sand, Kristin Koopmann
: Auf dem Gipfel gibt's keinen Cappuccino Vom tiefsten Punkt meines Lebens auf den höchsten Berg der Welt
: kurz& bündig Verlag
: 9783907126325
: 1
: CHF 11.60
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Buch zeigt eindrucksvoll, wie ein klares Ziel - im Fall der Bergsteigerin Heidi Sand die Besteigung des Mount Everest - helfen kann, eine scheinbar aussichtslose Situation wie eine Krebsdiagnose zu meistern. Auf den Mount Everest steigt man nicht einfach so, schon gar nicht achtzehn Monate nach einer Chemotherapie. Heidi Sand hat es getan. Dies ist ihre Geschichte. Als Krebspatientin gibt Heidi Sand ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit Humor und voller Hoffnung weiter und zeigt, wie sie diese Hürde meisterte.

Autorin: Heidi Sand Heidi Sand, geboren 1966 in Stuttgart, ist gelernte Hotelkauffrau und freiberufliche Bildhauerin. Bekannt wurde sie durch einige Medienauftritte (u. a. ARD, n-tv, SWR und viele mehr) und ist heute eine gefragte Vortragsrednerin. Sie ist Mitträgerin des Projekts 25zero, das per Liveschaltung auf der UN-Klimakonferenz in Paris auf den Klimawandel aufmerksam gemacht hat. Co-Autorin: Kristin Koopmann Kristin Koopmann, geboren 1979 in Kiel, hat ein Bachelor's Degree in Public Relations. Nachdem sie neun Jahre in diversen Positionen für den globalen Sportartikelhersteller adidas tätig war, machte sie sich als freiberufliche Texterin selbstständig.

Willkommen auf meiner Reise

Nach fünfundzwanzig Jahren Ehe und drei Kindern war ich der Meinung, ich wüsste, was Geduld ist. Ich musste auf5300 Meter steigen, um eines Besseren belehrt zu werden.

Da sitze ich nun mit Hunderten anderen Bergsteigern in dieser Zeltstadt auf Geröll, das ultimative Ziel buchstäblich direkt vor Augen, und doch ist alles, was ich gerade machen kann, rumsitzen und Tee trinken. Immerhin ist er warm. Aber da kribbelt es schon im Hintern. Ich bin schließlich nicht hier, um mich auszuruhen. Ich will auf den höchsten Punkt der Welt, auf das Dach der Welt, nach ganz oben. Es ist ein ambitioniertes Ziel. Eines, das nur wenige Menschen bisher erreicht haben. Nicht jeder schafft es. Einige bleiben für immer oben. Ich möchte zu keiner dieser beiden Gruppen gehören.

Hier im Basislager stehe ich am Anfang der Everest-Reise, stecke aber mittendrin in einer ganz anderen. Meiner persönlichen Reise. Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund hier. Jeder ist das. Einige wollen hoch, weil er der höchste Berg der Welt ist. Einige, um es sich zu beweisen. Einige, um es abzuhaken, weil sie eben schon am Nordpol oder auf einigen anderen Gipfeln waren und der Everest noch fehlt. Angeblich soll George Mallory, einer der Wegbereiter des Bergsteigens, auf die Frage, warum er auf den Gipfel des Everest will, geantwortet haben: «Weil er da ist.» Auch das ist sicher ein guter
Grund.

Ich bin hier, weil mir der Gedanke, dass ich eines Tages den Everest besteigen könnte, vor achtzehn Monaten neuen Lebensmut gegeben hat. Damals steckte ich mitten in einer langwierigen Chemotherapie und brauchte dringend ein Ziel, auf das ich hinarbeiten konnte. Eine Belohnung. Irgendetwas, was mir den Alltag und die Behandlung erträglicher machen konnte. Ich erinnere mich sehr genau an den Moment im Oktober2010, nach der sechsten von insgesamt zehn Behandlungen. Bis dahin hatte ich die Chemo gut weggesteckt, aber nun saß ich vollkommen erschöpft und niedergeschlagen auf dem Balkon unserer Hütte in Grindelwald mit einer Tasse Tee in der einen und dem BuchDie weiße Spinne in der anderen Hand. Der österreichische Alpinist Heinrich Harrer schreibt darin über den Reiz und die Gefahren der Eiger-Nordwand, jener Gebirgsflanke, auf die ich gerade einen wunderschönen Blick hatte. Und in diesem Moment formte sich tief in meinem Unterbewusstsein dieser Gedanke. Der Gedanke, dass ich auf etwas hinarbeiten musste, der Krankheit Darmkrebs zeigen musste, dass sie mich nicht kleinkriegen würde. Ich musste mich wehren und dieses passive Gefühl der Kraftlosigkeit und Wehrlosigkeit loswerden. Ich musste aufstehen und aktiv werden. Im wahrsten Sinne weitergehen.

Zu sagen, die Krebsdiagnose sei damals überraschend
gekommen, wäre untertrieben. Meine erste Reaktion war, den Arzt zu bitten, die richtige Krankenakte zu konsultieren. Ich war43 Jahre alt, meiner Meinung nach topfit und kerngesund. Also informierte ich den Arzt, dass ich in drei Wochen an einem Ultramarathon teilnehmen werde. Er gab mir den freundlichen Rat, den Lauf vielleicht abzusagen und stattdessen gesund zu werden. Daran habe ich mich gehalten. Was ich jetzt gerade in fünf Wörtern zusammengefasst habe, war aber nicht einfach. Eine Chemo ist das nie. Keine Krise ist das. Sie ist eine Reise mit vielen Hindernissen. Eine, die viele Parallelen zum Bergsteigen hat. Man sieht in der Ferne den Gipfel, das Ziel, und man rennt los. Aber der Weg geht nicht immer aufwärts, manchmal muss man durch ein Tal oder über eine Gletscherspalte, manchmal rutscht man ab und kann sich gerade noch halten. Ich stürzte nach der sechsten Chemo