: Thomas R. Köhler, Julia Finkeissen
: Chefsache Metaverse NFT, Blockchain, AR, VR: So steuern Sie sicher durchs Web3 - Ein Praxisbuch für Unternehmen / plus E-Book inside
: Campus Verlag
: 9783593453651
: 1
: CHF 34.10
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: Management
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Oktober 2021 verkündet der Facebook-Konzern - Betreiber von WhatsApp, Instagram und Facebook - seine Umbenennung in »Meta«. Was zunächst wie eine simple Namensänderung klang, könnte das gesamte Internet revolutionieren. Das Unternehmen investiert Milliarden in das Metaverse. Und der Rest der Technologiebranche - von Apple bis Microsoft - zieht mit. In diesem Buch geben Julia Finkeissen und Thomas R. Köhler mit ihrer Expertise für neue Technologien Einblick in die wichtigsten Bausteine des Metaverse und des Web3. Sie liefern konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen und beschreiben die neuen Chancen und Risiken des Metaverse und der zugrundeliegenden Technologien - ohne falschen Hype und immer mit Blick auf Nutzen und Anwendungspotenziale.

Thomas R. Köhler ist einer der profiliertesten Vordenker zum Thema Cybersicherheit und Verfasser mehrerer Bücher zur Sicherheit im Netz. Er bringt Erfahrung aus universitärer Forschung und Lehre, Unternehmensberatung und eigenen Unternehmen mit. Als Geschäftsführer der Münchner Technologieberatung CE21 berät er Unternehmen und öffentliche Einrichtungen bei der Bewertung von Cyberrisiken und dem Aufbau und Betrieb sicherer Infrastrukturen. Köhler ist seit 2019 Research Professor am Center for International Innovation der Hankou University (China).

Kapitel 1
Jenseits des Hypes – wo stehen wir heute in Sachen Metaverse?


Was genau versteht man unter dem Metaverse? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten und erschließt sich auch nicht ohne Weiteres anhand der oben diskutierten Technologiebausteine des Web3, die für sich betrachtet eine eigene Strahlkraft entwickeln, aber eben auch im Konzert als Elemente des Metaverse dienen sollen. Wir wollen daher im Folgenden den Fokus auf das Metaverse legen und einen Moment von NFT, Smart Contracts und Co abstrahieren, denn – und das ist wichtig – diese können, müssen aber nicht notwendigerweise Bestandteile des Metaverse sein. Daher wollen wir bei dem Zündfunken für die aktuelle Debatte anfangen: Die Umbennung des Facebook-Konzerns in Meta im Herbst 2021 und die Ankündigungen zahlreicher Technologieunternehmen, in diesem Bereich investieren zu wollen, hat einen enormen Hype umdas Metaverse ausgelöst. Das Problem: Bereits die Vorstellung, es gäbe sowas wieein Metaverse, ist nicht zu halten. Diese Vorstellung ist schlicht falsch, denn ein einheitliches Metaverse beziehungsweise Metaversum mag ein wünschenswertes Endziel sein, derzeit gibt es aber – allen Standardisierungsbemühungen zum Trotz – eine Vielzahl von Versuchen, ein jeweils eigenes anbieterspezifisches Metaverse zu etablieren. Horizon Worlds von Meta (ehemals Facebook) ist nur eine von vielen Dutzend virtuellen Welten, die sich Metaverse nennt.

Für die Zwecke dieses Buches definieren wir daher Metaverse zunächst ganz pragmatisch, um dies im Anschluss zu verfeinern: Ein Metaverse ist eine offene, das heißt für alle Interessierten zugängliche, virtuelle Welt mit dreidimensionalen Grafiken. In dieser Welt können sich Nutzer mit einem digitalen Alter Ego (Avatar) grundsätzlich frei bewegen und dabei in Interaktion mit vorhanden Strukturen, wie etwa Dienstangeboten oder anderen Nutzern (beziehungsweise deren Avataren), treten.

Folgt man dieser breiten Definition, stellt man fest: Metaversen (Plural!) sind nichts wirklich Neues. Zahlreiche gängige Videospiele bieten genau die in der obigen Definition beschriebenen Interaktionen bereits an. Insbesondere das bereits 2003 gestartete und im Kapitel 1.2 im Detail beschriebene Second Life fällt darunter. Letzteres wird daher manchmal als das erste echte Metaverse bezeichnet.

Aber ist die hier angeführte und vielfach verwendete Definition hinreichend? Aus Sicht der Autoren bedarf diese einer Präzisierung, denn in obiger Beschreibung haben sich Unschärfen eingeschlichen. Entscheidend für unsere Sicht ist die Echtzeitfähigkeit und die Vollständigkeit der Erfahrung.

Echtzeitfähigkeit in unserem Sinne bedeutet, dass die virtuelle Welt unabhängig von Aktivität oder Inaktivität eines Nutzers existiert und sich – wie die reale Welt auch – laufend weiterentwickelt. Vollständigkeit heißt in unserem Sinne, dass es genau eine Welt mit einer Gesamtzahl von Nutzern gibt, die allesamt miteinander interagieren können. Insbesondere letzteres Kriterium ist aus technischen Gründen schwer zu erfüllen. Typische Spielumgebungen mogeln hier und lassen in einer Spielwelt typischerweise nur 50 bis 100 Spieler gleichzeitig zu. Auch oben bereits beschriebene Ereignisse, wie etwa Musikevents auf den großen Plattformen, haben nicht wirklich gleichzeitig mehrere Millionen Teilnehmer, sondern viele 1 000 Instanzen aus ein- und derselben Spielewelt gleichzeitig – mit jeweils einer geringen Teilnehmerzahl. Während der Unterschied im Computerspiel meist als nicht weiter relevant wahrgenommen wird, ist er bei dem für das Metaverse zu setzenden Anspruch, eine virtuelle Welt zu erschaffen, ein entscheidender Meilenstein.

Das durchaus ernüchternde Fazit kann nur lauten: Schauen Sie genau hin, was man Ihnen als Metaverse verkaufen will. Gerade bei Technologiehypes wie nun dem Metaverse wollen viele Anbieter aufspringen und deuten gerne mal das, was sie bereits an Technologien, Plattformen oder Anwendungen haben, entsprechend um. Dinge, die dabei stören, werden gerne mal unter den Tisch gekehrt.

Stand heute ist es kaum möglich, eine einigermaßen realitätsnahe virtuelle Welt, die die obigen Kriterien erfüllt, tatsächlich zu bauen. Dies hat zunächst technische Gründe, aber auch Gründe, die etwa Physik, Kultur und philosophische Fragen berühren.

2.1Technologien und technische Anforderungen


Im Kapitel 1.2 war bereits von wesentlichen technologischen Elementen für das Metaverse die Rede, insbesondere von den neuen Themen AR/VR, Blockchain und NFTs. Einfach vorausgesetzt wurde, dass die grundlegende IT-Infrastruktur, wie wir sie heute bei IT-Firmen, Telekommunikationsanbietern, Anwenderunternehmen und Privatnutzern in Form von Endgeräten und Telekommunikationsnetzen haben, für eine virtuelle Welt ausreichend ist. Das ist – vorsichtig gesagt – nicht der Fall. Natürlich wittern Unternehmen dicke Geschäfte mit dem Metaverse, wenn etwa Vertreter des Chipherstellers Intel eine 1 000-fache Verbesserung der Rechnerinfrastruktur als notwendig erachten.1

Das ist jedoch nur eine Seite der Medaille, eine verkürzte Sicht auf das Thema technische Anforderungen, denn es geht nicht nur um die reine Rechnerleistung. Die Anwender haben seit Jahrzehnten die Erfahrung gemacht, dass sich die Rechnerleistung zum gleichen Preispunkt in kurzen Zyklen (12, 18 oder 24 Monate) verdoppelt. Man spricht auch von dem Mooreschen Gesetz, wenn man diesen Zusammenhang meint. Auch wenn das Mooresche Gesetz eher Faustformel als wissenschaftliche Gesetzmäßigkeit ist – nach Ansicht der Branche hat dieses auch heute noch Gültigkeit.2 Mithin lassen sich aus der Fortschreibung der aktuellen Entwicklungen Rückschlüsse ziehen, wann bestimmte Leistungswerte erzielbar sind.

Das Problem dabei: Es geht nicht um reine Leistung, sondern auch darum, wo diese zur Verfügung steht. Heutige Rechnerleistung, aber auch Speicherleistung wird vielfach in sogenannten Cloud-Umgebungen bereitgestellt. Zu Beginn des Zeitalters des Personal Computers (PC) – mangels Netzverbindungen – mussten noch alle Verarbeitungs- und Speicherprozesse auf dem PC selbst erbracht werden. Heute ist mit der Verbreitung von bandbreitenstarken Netzverbindungen und der Konzentration von Rechnerleistung und Speichersystemen vieles, was bisher lokal bereitgestellt wurde, quasi ins Netz gewandert. Dies galt und gilt für betriebliche Anwendungen und private Nutzung gleichermaßen.

Office 365 als aktuelle Variante von Microsoft, dem Weltmarktführer für Bürosoftware, speichert standardmäßig auf dem OneDrive – einer Speicherlösung, die Teil von Microsofts Cloud-Infrastruktur ist. Privatnutzer mit iPhone oder Android-Telefon ziehen den größten Nutzen aus ihren Geräten, wenn sie ihre Daten in die iCloud (Apple) oder Google Cloud speichern oder zumindest dorthin duplizieren lassen. Der Kernnutzen ist ebenso trivial wie einleuchtend: Familienfotos und andere Daten lassen sich ganz ohne USB-Stick oder E-Mail-Versand auf unterschiedlichen Geräten ansehen oder bearbeiten. Der Fall »Speicher voll« tritt nicht mehr auf – passendes Cloud-Speicher-Abonnement vorausgesetzt. Und ist das Endgerät tatsächlich einmal verloren oder gestohlen worden, lassen sich die Daten per Mausklick auf einem neuen Gerät wiederherstellen. Das Ganze passiert im Hintergrund ohne großes Zutun der Anwender.

Man kann argumentieren, dass eben diese einfache Handhabung erst eine breite Akzeptanz grundlegend komplexer Technologien ermöglicht hat. Man kann aber auch die Anbietersicht einnehmen und festhalten, dass die Kopplung von Endgeräten und Infrastrukturen vielfältige neue Geschäftsmodelle bringt – vom Zusatzverdienst für das Speicherplatz-Abonnement auf dem Cloud-Server bis hin zur Provision bei jedem Verkauf in den anbietereigenen App-Stores (bei Google: Play Store).

So oder so: Heutige IT-Infrastrukturen bestehen aus lokalen Geräten, wie etwa PCs, Tablets, Smartphones, VR-Brillen, Netzwerkverbindungen und meist an entfernten Standorten untergebrachten Cloud-Infrastrukturen.

Welcher Teil der Verarbeitung vom Nutzergerät und welcher von einem entfernten System in der Cloud vorgenommen wird, hängt von den Anforderungen...