: Dörte Heger, Boris Augurzky, Ingo Kolodziej, Johannes Hollenbach, Christiane Wuckel, Henrik Bergschn
: Pflegeheim Rating Report 2024 Pflege ohne Personal?
: medhochzwei Verlag
: 9783988000095
: 1
: CHF 278.60
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: Allgemeines
: German
: 198
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Pflegeleistungen werden zunehmend nachgefragt. Grund dafür sind einerseits der demografische Wandel und andererseits die Ausweitung des Kreises der Leistungsempfänger durch die Aufnahme geistiger und kognitiver Einschränkungen in den Pflegebedürftigkeitsbegriff. Gleichzeitig stellen der Fachkräftemangel und die Finanzierung von Pflegeleistungen große Herausforderungen für die Pflegebranche und die Gesellschaft dar. Welche Konsequenzen ergeben sich durch diese Herausforderungen für das Pflegesystem, insbesondere im Hinblick auf Veränderungen von Pflegeleistung und -nachfrage, und wie kann darauf reagiert werden? Wie entwickeln sich die Wettbewerbssituation und die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime? Der Pflegeheim Rating Report widmet sich diesen Fragen und beleuchtet den deutschen Pflegeheimmarkt in zweijährigem Rhythmus. Dazu werden die amtlichen Daten des Statistischen Bundesamts aller rund 16 100 Pflegeheime und 15 400 ambulanter Dienste sowie detaillierte Bilanzdaten untersucht. Neben einer Übersicht über die derzeitige Situation liefert der Pflegeheim Rating Report Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen nach Versorgungsart, der wirtschaftlichen Situation der Pflegeheime sowie zum Kapital- und Personalbedarf. Es wird diskutiert, inwieweit die Pflegebranche auf die Herausforderungen der kommenden Jahre eingestellt ist, und Handlungsempfehlungen werden abgeleitet. Grundlage für das Rating der Pflegeheime sind rund 450 Jahresabschlüsse von mehr als 1 800 Pflegeheimen. Diese werden von den Studienautoren des RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des Institute for Health Care Business (hcb) analysiert und ihre Beiträge anhand zahlreicher farbiger Schaubilder, Karten und Tabellen veranschaulicht, darunter zahlreiche Benchmarks. Ergänzt wird dieser Report erneut von verschiedenen Sonderanalysen aus der Praxis, die Ursachen des fragilen deutschen Pflegesystems aus verschiedenen Gesichtspunkten untersuchen. Der Pflegekräftemangel, bürokratische Hürden, eine steigende finanzielle Belastung der Bewohner, sowie die Personalsituation der Pflegeberufe auf dem Arbeitsmarkt werden in diesem Kontext thematisiert. Für Pflegeheime und deren Geschäftspartner - insbesondere Banken und Investoren, aber auch für Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft - bietet der Report wertvolle, empirisch abgesicherte Erkenntnisse über die Entwicklung des Pflegeheimmarkts.

Stellvertretende Leiterin des Kompetenzbereichs 'Gesundheit' am RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Sie studierte an der Universität Mannheim Volkswirtschaftslehre und promovierte im Anschluss an der Queen's University in Kingston, Kanada. Ihr Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt liegt bei Themen des Pflegemarkts. Inhaltlich beschäftigt sie sich unter anderem mit Strukturanalysen der ökonomischen Herausforderungen im Gesundheitswesen und der Altenpflegewirtschaft sowie mit Fragen zur Optimierung der Pflegebedarfsplanung.

Executive Summary


Durch die Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade, die einhergehende Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs sowie die zur Finanzierung dieser Maßnahmen notwendigen Erhöhungen des Beitragssatzes ergaben sich in den vergangenen Jahren für die Pflegebranche gravierende Veränderungen. Das Ausmaß dieser Veränderungen wurde bereits durch den Vergleich der Zahlen von 2015 und 2017 deutlich. Die Anpassungseffekte setzten sich aber auch bis 2021 noch fort. Gleichzeitig ergeben sich durch die veränderte Ausgangssituation auch Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung, wie die Prognosen bis zum Jahr 2040 zeigen.

Status quo


Der Pflegebedarf wächst weiter. Die vorliegenden Zahlen aus 2021 bestätigen dies erneut: Insgesamt gab es 5,0 Mio. pflegebedürftige Menschen, davon wurden 793 000 vollstationär und 1,0 Mio. durch ambulante Dienste versorgt. Rund 2,6 Mio. Pflegebedürftige erhalten Pflegegeld. 565 000 Bedürftige mit Pflegegrad 1 beziehen ausschließlich landesrechtliche oder keine Leistungen und 1 700 Menschen mit Pflegegrad 1 beziehen teilstationäre Leistungen. Die Anzahl dieser „Sonderfälle“ im Pflegegrad 1 wurde 2017 in der Pflegestatistik untererfasst. Durch die verbesserte, wenn auch vermutlich nicht vollständige, Erfassung, fließen diese Personen nun mit in die Analysen ein.

Das Marktvolumen der ambulanten und stationären Pflegedienste betrug im Jahr 2021 rund 72 Mrd. €. Gegenüber anderen Teilbereichen des Gesundheitsmarkts ist der Pflegemarkt am stärksten gewachsen: 1997 betrug sein Anteil 9,8 % des gesamten Gesundheitsmarkts, 2021 bereits 15,2 %. Damit rangiert die Pflege in ihrer Bedeutung aktuell an zweiter Stelle hinter den Krankenhäusern.

Die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit deutscher Pflegeheime betrug im Jahr 2021 1,2 %. Zirka 9 % der Pflegeheime lagen im „roten Bereich“, d. h. besaßen eine erhöhte Insolvenzgefahr, 55 % im „grünen“ mit geringer Insolvenzgefahr und 36 % dazwischen, im „gelben Bereich“.

Nach einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Pflegeheime zwischen 2016 und 2019 hat diese sich seitdem wieder erholt. Die durchschnittliche Verbesserung im Jahr 2021 gegenüber dem Jahr 2020 ist vor allem durch freigemeinnützige und öffentlich-rechtliche Pflegeheime getrieben. Private Heime verschlechtern sich leicht.

Das durchschnittliche Pflegeheim verzeichnete im Jahr 2021 eine EBITDAR-Marge (Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen, Amortisation und Mieten im Verhältnis zu den Gesamterlösen) von 11,3 %. Die besten 20 % der Heime erreichten 16,6 % oder mehr, die schlechtesten 20 % höchstens 6,1 %. Das durchschnittliche Jahresergebnis nach Steuern (EAT) betrug 2,3 % der Erlöse.

Untersucht wurden bis zu 465 Jahresabschlüsse aus den Jahren 2014 bis 2021, die insgesamt 1 844 Pflegeheime bzw. rund 25 % des stationären Pflegemarktes umfassen.

Öffentlich-rechtliche Pflegeheime schnitten im Rating besser ab als freigemeinnützige und private, weil wir zur Berechnung des Ratings die Mietaufwendungen „kapitalisieren“, d. h. als Fremdkapital in der Bilanz verbuchen. Insbesondere private Heime mieten häufiger ihre Immobilien. Ohne eine solche Kapitalisierung der Mieten gäbe es nur geringe Unterschiede zwischen den Trägern. Die wirtschaftliche Situation der Heime war in Ostdeutschland besser als in Westdeutschland. Am besten war die Lage in Sachsen-Anhalt/Thüringen, Hessen, Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Am schlechtesten schnitten Heime in Schleswig-Holstein/Hamburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen/Bremen ab.

Für die Jahre 2022 und 2023 rechnen wir wieder mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Pflegeheime. Gründe sind – neben den wegfallenden Coronahilfen – Kostenanstiege, sowohl bei Personal- als auch bei Sachkosten. Diese werden u. a. von den höheren Inflationsraten, der 2022 eingeführten Tarifpflicht in der Pflege sowie allgemeinem Personalmangel getrieben. Insofern dürften die Corona-Jahre lediglich eine kurze Erholung für die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime darstellen.

Pflegegeldempfänger. Die Aufnahme kognitiver und geistiger Einschränkungen in den Pflegebedürftigkeitsbegriff im Jahr 2017 sorgte für eine starke Ausweitung der Zahl der Pflegegeldempfänger, welche insbesondere durch Pflegegeldempfänger mit niedrigen Pflegegraden getrieben wurde. Ordnet man Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1, die teilstationär gepflegt werden oder ausschließlich landesrechtliche oder keine Leistungen beziehen, anteilig den Pflegegeldempfängern und dem ambulanten Bereich zu, setzte sich diese Ausweitung 2021 verstärkt fort. Ohne diese Zurechnung wäre der Anteil der Pflegegeldempfänger trotz deutlicher Zunahme in der Anzahl nahezu unverändert.

Ambulantisierung. Ebenfalls nahm erneut die Anzahl der ambulant gepflegten Menschen zu. Mit anteiliger Zurechnung der Pflegegrad 1 Sonderfälle lag der Anteil der ambulanten Pflege 2021 bei 24,4 %, während er 1999 erst bei 20,6 % lag. Neben der Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 hat die überproportionale Erhöhung der Pflegesätze der Pflegeversicherung für Leistungen der ambulanten Dienste seit 2008 und der Ausbau der ambulanten Pflege im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze das Marktvolumen der ambulanten Pflege erhöht. Es scheint sich bei der Ambulantisierung um einen längerfristigen Trend zu handeln, der sich durch die Pande