Teil 2
»Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, einen reinen Eid.«
Es war der 23. Verhandlungstag, und an diesem Tag sollte mit der Anhörung der Polnisch sprechenden Zeugen begonnen werden. Eva saß nicht mehr ganz hinten und am äußersten Rand der Zuschauertribüne, sondern stand nun am Tisch der Zeugen mitten im großen Saal des Bürgerhauses. Flankiert wurde sie von zwei älteren Herren in dunklen Anzügen, dem Übersetzer für Tschechisch und dem Übersetzer für Englisch. Eva hatte ihre linke Hand, an der sie neuerdings einen Ring mit einem blauen Stein trug, auf ein schweres schwarzes Buch mit einem kleinen eingeprägten Goldkreuz gelegt, ihre rechte Hand hielt sie hoch erhoben. Eva sprach zum Vorsitzenden Richter, der sich ihr freundlich zuwandte, und seinen beiden Beisitzern. Ihre Finger zitterten leicht in der Luft. Ihr Herz schlug schnell und hart bis hinauf in den Hals.
»Sprechen Sie etwas lauter bitte, Fräulein Bruhns.«
Eva nickte, holte Luft und begann noch einmal von vorne. Sie sagte, sie würde alle in polnischer Sprache verfassten Dokumente und Aussagen, die im Prozess behandelt würden, treu und gewissenhaft übersetzen. Sie würde nichts hinzufügen oder weglassen. Während Eva sprach, glaubte sie im Augenwinkel eine Bewegung von David Miller aufzufangen, der sich wie missbilligend abwandte, der Hellblonde dagegen folgte ruhig ihrem Schwur. Eva spürte auch die Blicke von der linken Seite. Von der Anklagebank. Manche der Männer und deren Verteidiger betrachteten sie wohlwollend. Weil sie ein junges, gesundes Fräulein war mit starkem blonden Haar, weil sie anständig und ehrbar aussah in ihrem hochgeschlossenen, dunkelblauen Kostüm und ihren flachen Schuhen.
»Das schwöre ich bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden«, endete Eva. Der Vorsitz