Wie ich mich in einen Gärtner verliebe und wie meine Kinder versuchen, mir die Tour zu vermasseln.
In dem Moment, als ich ihn im Rückspiegel durch die regenverschmierte Heckscheibe auf dem frisch eingesäten Acker stehen sehe, weiß ich: Wir werden Sex haben. Herbstregen fällt wie aus Eimern vom Hamburger Himmel; wir sitzen im Auto vor meiner Haustür. Die Kinder hinten, ich vorne. Er schaut in meine Richtung, hebt die Hand zum Gruß.
Mit Schwung steckt er die Schaufel in den feuchten Boden, streift im Gehen seine Handschuhe ab, kommt in Zeitlupe auf meinen Wagen zu. Es ist sein letzter Tag auf der Baustelle gegenüber. Ich bin rechtzeitig zurück, um mich zu verabschieden. Fünf Minuten später, und er wäre weg gewesen.
Hat er auf mich gewartet? Trotz des Regens? Ich komme immer um kurz nach 16 Uhr, wenn ich die Kinder aus Schule und Kindergarten abgeholt habe. Die Jungs schießen jedes Mal wie Pfeile aus dem Auto, während der Gärtner von gegenüber seine Sachen packt und mir stets zum Abschied winkt.
»Kennst du den etwa?«, fragte mein Sohn Caspar einmal.
»Ja, wir trinken morgens manchmal Kaffee«, sagte ich.
Seit acht Wochen geht das so, zwischen Balkon und Baustelle, Baum und Küchenfenster. So haben wir uns kennengelernt, der Gärtner und ich. Er mit Laubsäge in der Hand, ich im Morgenrock, mit Kaffeebecher am Küchenfenster. Er winkte stets lächelnd zu mir herüber, wenn ich länger als nötig am Fenster stand und ihm zusah, wie er im Baum hing und Äste absägte. Heute werde ich ihm meine Handynummer geben. Mein Herz rast, ich atme durch. Was kann schon groß passieren? Außer dass er sich geschmeichelt fühlt und doch nicht anruft. Auslachen wird er mich schon nicht. Ich bitte meinen Sohn Caspar, neun, mir ein Blatt Papier aus einem Schulblock zu reißen, um meine Handynummer draufzuschreiben.
»Kein Blatt mehr frei, sorry, Mama!«
Wow, das nenn ich Sabotage, mein Sohn will mir die Tour vermasseln. Er fühlt sich als Chef im Haus, seit Papa weg ist. Für ihn herrscht dort unverändert das Patriarchat. Nach ihm kommt lange nichts; sein Bruder Ben, vier, ist Vizechef, und seit sie wissen, dass die Schildkröte ein Junge ist, belegt sie den dritten Platz in dieser Machtstruktur. In Ermangelung eines Zettels kritzele ich meine Nummer auf die Innenseite eines Kaugummipapiers, welches sich zwischen anderen Papierchen unter dem Beifahrersitz anfindet. Und falte es in die ursprüngliche Form des Kaugummis zurück.
Auf der Autorückbank schlingt Caspar indes schlagartig Arme über Kopf und Augen und duckt sich, als würde im näheren Umfeld demnächst eine Handgranate explodieren.
»Warum gehst du in Deckung?«, will ich wissen.
»Also, Mama, ich will jetzt echt nicht miterleben, wie dernicht deine Nummer will!«
Ich atme ein. Und wieder aus. Was denkt sich mein Sohn? Who the fuck ist in seinen Augen Mama? Ein teilweise mit Gammelfleisch versetztes Küchengerät, das ungefragt die eigene Mobilfunknummer an Typen verteilt, die bisweilen in 15 Meter hohen Bäumen hängen? In Caspars Augen ist das so weit oben, wie ein Mann eben oben sein kann. 15 Meter Höhe, für ihn ist das gleich Chefetage und eh weit über Mama, die lieber auf einer Fisch-sucht-Fahrrad-Party