Marcus Tullius Cicero wurde am 3. Januar 106 vor Christus in Arpinum, einer Stadt etwa 70 Meilen südöstlich von Rom geboren. Seine Familie gehörte zwar nicht zum römischen Adel, aber dennoch zu den herausragenden in der Ortsgemeinschaft und verfügte über gute Beziehungen zur Hauptstadt. Marcus und sein Bruder Quintus waren noch Kinder, als die Familie nach Rom übersiedelte, ein Schritt, durch den man die Erziehung und die beruflichen Aussichten der Brüder voranbringen wollte; dort kamen die Jungen in Kontakt mit den beiden bedeutendsten Rednern der damaligen Zeit, Lucius Linius Crassus und Marcus Antonius, die später die beiden Hauptsprecher in Ciceros größten rhetorischen Abhandlung werden sollten, einem Dialog über den idealen Redner:De oratore. In einer solchen Umgebung konnte Cicero von Kindesbeinen an die führenden Redner und Politiker Roms täglich an den Gerichtshöfen und im Forum beobachten. Nach Crassus’ Tod im Jahre 91 vor Christus legte Cicero im Alter von 15 oder 16 Jahren dietoga virilis an, die ihn als erwachsenen Mann kennzeichnete. Er wurde formal dem Auguren Quintus Mucius Scaevola vorgestellt, einem der bedeutendsten Rechtsgelehrten Roms (dem ebenfalls eine Stimme inDe oratore zukommt); unter seiner Anleitung erwarb Cicero seinen riesigen Respekt vor und sein Wissen über das bürgerliche Gesetz.
Der junge Cicero war zweifellos ein frühreifer Schüler; zusätzlich zu seinen rhetorischen und juristischen Studien bei Crassus, Antonius und Scaevola fand er großen Gefallen an der Philosophie. Noch als Halbwüchsiger veröffentlichte er sein erstes rhetorisches Werk,De inventione oderÜber die Auffindung des Stoffes. Später beschrieb er das Buch als »oberflächliches und schlichtes Werk, das geradewegs aus meinen Notizbüchern entsprang, als ich noch ein Junge oder besser ein junger Mann war« (De oratore 1.5). Doch sogar diese Arbeit beeinflusste rhetorische Abhandlungen vom Mittelalter bis in die Renaissance maßgeblich.
Nach einem kurzen militärischen Einsatz im Bundesgenossenkrieg kehrte Cicero in ein Rom zurück, das in den Achtzigerjahren vor Christus von inneren Unruhen, Blutvergießen und Verboten geprägt war, was auf den Konflikt zwischen den Diktatoren Marius, Cinna und Sulla zurückzuführen