2. Humankapitalismus: Bildung als Ware und Währung
Bildung als Ware und Währung zu betrachten – das würden viele Menschen intuitiv ablehnen. Aber bereits Anfang der 1980er-Jahre hat der Soziologe Pierre Bourdieu genau hierzu eine Theorie entwickelt.[3] Es handelt sich also keineswegs um eine neue Sichtweise oder einen aktuellen Trend.
Das Kapital als rein ökonomische Ressource (Einkommen und Vermögen) zu begreifen, wie es noch bei Karl Marx definiert war, wird laut Bourdieu den vielfältigen wechselseitigen Austauschprozessen innerhalb einer Gesellschaft nicht mehr gerecht. Entsprechend definiert er Kapital als gesellschaftlich relevante Ressourcen, die imstande sind, die Stellung eines Menschen innerhalb der Hierarchie einer Gesellschaft zu bestimmen, zu erhalten oder zu verändern. Neben dem ökonomischen Kapital nennt er zwei weitere Sorten von Kapital, die vom Prinzip her gleichwertig sind: kulturelles Kapital (Bildung) und soziales Kapital (Netzwerke). Sie sind deshalb Kapital, weil sie gleichermaßen nützlich sein können. Und sie sind grundsätzlich gleichwertig, weil sie austauschbar sind, also die Funktion einer Währung haben können. Aber der Reihe nach …
Das klassische ökonomische Kapital garantiert nach wie vor die Sicherung des Lebensstandards und eine gewisse Unabhängigkeit. Allerdings reicht es allein nicht mehr aus, um gesellschaftliche Macht auszuüben oder bestimmte Positionen einzunehmen. So öffnet beispielsweise ein großer Lottogewinn keineswegs die Türen in die gehobenen Kreise oder in bestimmte Machtsphären. Zudem wissen wir heute, dass ein Lottogewinn bei zuvor ärmeren Menschen häufig nicht nachhaltig zu Wohlstand führt. Vielmehr sind es auch neue beziehungsweise wichtiger gewordene immaterielle Ressourcen, die die soziale Stellung mitbestimmen.
Das kulturelle Kapital könnte auch als Bildungskapital bezeichnet werden. Es drückt sich nach Bourdieu in Objekten (objektiviertes kulturelles Kapital), in Körper und Geist (inkorporiertes kulturelles Kapital) sowie in institutionalisierter Form (institutionelles kulturelles Kapital) aus. Objektiviertes kulturelles Kapital ist dabei am engsten an Geld gebunden. Hierzu zählt insbesondere der Besitz von Kunstgegenständen (beispielsweise ein Gemälde), Kulturgütern (beispielsweise Bücher) und Kulturwerkzeugen (beispielsweise ein Klavier), die zwar materielle Objekte sind, aber deren Wert vordergründig immaterieller Natur ist – die also auf gewisse Weise Bildung beziehungsweise Gebildetsein vorführen. Und mal ehrlich: Wenn wir jemanden zu Hause besuchen und im Wohnzimmer ein wohlplatziertes Kunstgemälde, Hunderte Bücher im Regal und einen Flügel sehen, steht für uns schon (fast) fest: Dieser Mensch ist gebildet.
Die Verinnerlichung dieser Objekte erfordert, dass ich sie mir einverleibe. Inkorporiertes kulturelles Kapital meint die sich stetig vollziehende Aneignung, also die geistige, körperliche und emotionale Verinnerlichung des Kulturellen. Es geht um Wissen und Fähigkeiten, heute würde man von Kompetenzen sprechen, wobei nicht nur kognitive, sondern auch soziale, emotionale und methodische Fähigkeiten gemeint sind. Wenn nun unser Gastgeber auch noch kunstinteressiert und belesen wirkt, vielleicht sogar auf dem Flügel etwas vorspielt und dabei zwischendurch einen Schluck Rotwein trinkt – dann ist die bildungsbürgerliche Aura vollkommen.
Die Verinnerlichung des Kulturellen ist die zeitintensivste Ausprägung der kulturellen Kapitalformen und findet insbesondere, aber nicht nur im Bildungssystem statt. Klavier spielen etwa hat unser Gastgeber sicherlich nicht auf dem städtischen Gymnasium gelernt.
Das Hoheitsgebiet des Bildungss