Vorwort
oder: Willkommen in der Welthauptstadt der Skeptiker
No nun te lasso mai
Roma capoccia der mondo infame
Antonello Venditti
Vor nicht allzu langer Zeit wurde ich von einem deutschen Radiosender interviewt. Die römische Stadtregierung war gerade zurückgetreten, bei dem Interview ging es um die Hintergründe, nämlich Korruption und Amtsmissbrauch. In ungefähr fünf Minuten sollte ich den Hörerinnen und Hörern also die politische Lage in der italienischen Kapitale erklären. Irgendwann unterbrach mich die Moderatorin und sagte: »Sie lieben Rom aber trotzdem.« Es klang weniger wie eine Frage als wie eine Feststellung, ja ein letztinstanzliches Urteil. Ich weiß gar nicht, was mich mehr verblüffte, das »trotzdem« oder das »lieben«. Und ziemlich kläglich warf ich ein, das würde ich dann doch lieber etwas vorsichtiger formulieren. Das war’s auch schon, es kam Musik. Erst später ging mir auf, dass man in Deutschland offenbar Rom nicht als eine normale Metropole betrachtet. Denn würde man angesichts eines Korruptionsskandals in Zürich oder Amsterdam einen Journalisten fragen, ob er die Stadt, in der er lebt und arbeitet, liebt? Und dann fiel mir noch ein, dass meine Entgegnung auf die seltsame Frage typisch römisch gewesen war. Öffentliche Liebeserklärungen für diesen Haufen alter Steine und kecker Kuppeln? Na, wir wollen hier aber bitte nicht peinlich werden. Wir Römer.
Wir hätten es nämlich im Prinzip immer gern eine Nummer kleiner. Weil wir dem Pathos und den Superlativen nicht trauen, die sich seit jeher über unsere Stadt ergießen, um ihre Schönheit zu beschreiben, ihre Grandezza, ihre Ewigkeit. Vielleicht, weil damit immer nur Rom gemeint ist, während sich für die Römer eigentlich niemand interessiert. Goethe war nicht der Erste und nicht der Letzte, der sich von Roms Kunstschätzen und den »unendlichen, obgleich überreichen Trümmern« seiner vieltausendjährigen Geschichte überwältigt zeigte, gleichzeitig jedoch aus seiner Geringschätzung für die Römer keinen Hehl machte. Er erwähnt sie in seinen römischen Tagebüchern nur am Rande, lieber verbreitet er sich über antike Statuen und Monumente. Heute existiert eine spezifisch deutsche Italienliteratur, in der es sich genau umgekehrt verhält, denn vor der großartigen Kulisse werden nun ausführlich die Italiener im Allgemeinen und die Römer im Besonderen als putzig-liebenswertes, melodramatisch-aufgeregtes Völkchen beschrieben, das zur Ernsthaftigkeit ebenso wenig fähig ist wie zur echten Tragödie. Als sei die Stadt losgelöst von ihren Menschen, als sei Rom nicht von den Römern geformt, sondern stehe gleichsam über ihnen. In dem »trotzdem«, das mir die Radiofrau hingeworfen hatte, klang genau das mit, die Unterscheidung zwischen der erhabenen Stadtlandschaft und den Niederungen ihres Alltagslebens. Wenn auch die Römer durch den Korruptionssumpf waten, Rom kann man dennoch lieben.
Diesen Unterschied gibt es natürlich nicht. Es existiert kein Rom ohne Römer, genauso wie es keine Römer ohne Rom gibt. Die Stadt un