: Andreas Fellgiebel
: (Schlecht) Hören bei Demenz Erkennen, verstehen und aktivieren
: medhochzwei Verlag
: 9783862166145
: 1
: CHF 22.90
:
: Gesundheit
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gut zu hören ist eine notwendige Voraussetzung für Verstehen und sprachliche Kommunikation. Das Hören hat einen bedeutsamen Einfluss auf unser Verhalten und unsere sozialen Interaktionen. Über das Hören werden auch für unsere sozialen Beziehungen wichtige Emotionen vermittelt, was für unser Wohlbefinden sehr wichtig ist. Menschen mit Demenz haben eingeschränkte Fähigkeiten der Informationsverarbeitung. Gerade für sie ist es wichtig, auf eine möglichst gute Hörfunktion als Basis für Verstehen und Kommunikation zurückgreifen zu können. Von Menschen mit Hörminderung ohne Demenz wissen wir, dass eine eingeschränkte Hörfähigkeit allein schon eine massive Belastung im Alltag darstellen kann. Sie müssen sich immer noch mehr anstrengen, um etwas mitzubekommen, d. h. ihre Aufmerksamkeit auf Töne, Geräusche, Sprache fokussieren, was anstrengend ist und ermüdend. Menschen mit verminderter Hörfähigkeit sind oft nervös, gereizt, schlafen schlecht, fühlen sich vereinsamt. Hinzu kommt die Stigmatisierung oder befürchtete Stigmatisierung des Gehörlosen oder 'Tauben'. Das Buch vermittelt einen leicht verständlichen Überblick zu diesem Thema und gibt nützliche Ratschläge: Wie erkennt man bei einem Menschen mit Demenz eine Verschlechterung des Hörens? Welche Hilfen kann man sich verschaffen? Was stellt eine gute Hörumgebung dar? Das Buch gibt ebenfalls Hinweise dazu, wie man das Hören therapeutisch einsetzen kann, z. B. mit Musik. Praxisberichte und Interviews ergänzen den Einstieg in das Thema.

I Hören und Demenz


1 Einleitung


Prof. Dr. Andreas Fellgiebel

Musik tut gut


In vier Folgen strahlte das ZDF ab Juli 2020 eine Dokumentation über einen Chor für Menschen mit Demenz aus.1 Teilnehmer waren Menschen mit einer leichten bis mittelgradigen Demenz, die Spaß am Singen und Interesse an Musik hatten.

Der Titel der Doku „Unvergesslich. Unser Chor für Menschen mit Demenz“ spielt mit der Bedeutung des Begriffes unvergesslich, der in einer Lesart die Unvergesslichkeit der (Chor-)Musik mit dem für die Demenz typischen Vergessen kontrastiert.

Wir wissen, dass sich das Hören von Musik, das Singen, das Musizieren positiv auf das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz auswirken. Aber gilt das nicht auch für alle oder zumindest die meisten anderen Menschen? Worin soll also die spezifische Verbindung von Musik und Demenz sein, die über die über Zeiten und Kulturen hinweg positive Wirkung von Musik hinausgeht?

Funktionen des Hörens


Doch beginnen wir von vorn: bevor wir dieser Frage nach der besonderen Wirkung von Musik und Musizieren auf Menschen mit Demenz nachgehen, beschäftigen wir uns mit der grundlegenderen Frage des Zusammenhangs von Hören und Demenz.

Das Hören ist nicht nur die Voraussetzung für die Wirkung von Musik, es ermöglicht uns wichtige Informationen über unsere Umgebung aufzunehmen, unsere Umwelt zu verstehen und über eine gemeinsame Sprache mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.

Damit dient das Hören einerseits der Orientierung („Was sind das für Geräusche? Wo kommen die her? Wie oft hat die Kirchturmglocke geläutet?) und der schnellen Aufmerksamkeitslenkung zu potenziellen Gefahren in der Umgebung (Explosionen, schreiender Säugling, Hilferufe). Akustische Schlüsselreize versetzen den Organismus in Handlungsbereitschaft.

Darüber hinaus ermöglicht das Hören die sprachliche Kommunikation. Wir machen uns verständlich, können anderen Personen etwas über uns, unsere Gefühle, Einstellungen, Pläne oder über unsere gemeinsame Umgebung mitteilen.

Das Hören stellt also ein wichtiges Band in unserer Verbindung zu anderen dar. Wichtige, Gemeinschaft stiftende Emotionen werden akustisch vermittelt. Hören ermöglicht gelingende sprachliche Kommunikation und damit Teilhabe und Partizipation an der Gemeinschaft mit anderen. Da wir uns in der Kommunikation anderen zu erkennen geben und andere Personen über die Kommunikation kennenlernen, hängt von Hören auch unsere besondere Stellung in der Gemeinschaft und unsere Selbst-Identität ab, wer wir sind, wer wir sein wollen.

Gelingende sprachliche Kommunikation steigert unseren Selbstwert. Eine gemeinsame Sprache fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl, ermöglicht Teilhabe, Geselligkeit, Freude, Entspannung und Stressreduktion.

Gestörte Kommunikation führt hingegen zu Verunsicherung, Frustration, Wut, vermindertem Selbstwertgefühl, sozialem Rückzug, erhöhtem Anspannungs- und Stressniveau. Hinzu kommt die nach wie vor bestehende Stigmatisierung des Gehörlosen, die sozialen Rückzug und Vereinsamung fördert.

Informationsverarbeitung und Kommunikation bei Demenz


Eine Demenz beeinträchtigt zwar nicht das Hörvermögen selbst, aber die Verarbeitung von Sinnesreizen wird zunehmend gestört. Das fängt an mit der Aufmerksamkeit. Me