: Fritz Riemann
: Die Fähigkeit zu lieben Bibliophile Ausgabe
: Ernst Reinhardt Verlag
: 9783497609666
: 12
: CHF 14.50
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 184
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Das Wesen der Liebe offenbart sich in unendlich vielfältigen Gestalten; das Gemeinsame, das, was letztlich die Liebe ausmacht, ist ganz schlicht der Wunsch, einem anderen wohltun zu wollen.' Die klare, verständliche und schöne Sprache von Fritz Riemann erhält mit dieser Sonderausgabe ein passendes Äußeres: 'Die Fähigkeit zu lieben' in Leinen gebunden!

Fritz Riemann (1902-1979) war nach einem Studium der Psychologie und der Ausbildung zum Psychoanalytiker Mitbegründer des Instituts für psychologische Forschung und Psychotherapie in München (heute: Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie). Dort wirkte er als Dozent und Lehranalytiker und führte eine eigene psychotherapeutische Praxis.

Die Fähigkeit zu lieben ist uns mitgegeben als eine Begabung, die wohl zu den größten Wundern des Lebens gehört. Denn ist es nicht ein Wunder, dass der Mensch, dieses egoistische, machthungrige, besitzgierige und erfolgsbesessene Wesen voller gefährlicher Triebe, Leidenschaften, Affekte und Aggressionen, überhaupt zu lieben fähig ist? Fähig ist, jemanden oder etwas zu lieben außer sich selbst, oder gar, wie es das Christentum fordert, zu lieben wie sich selbst? Ohne diese Fähigkeit zu lieben, die uns recht eigentlich erst zu Menschen werden lässt, wäre die Menschheit wohl längst ausgestorben, weil sie sich selbst vernichtet hätte.

Das Wesen der Liebe offenbart sich in unendlich vielfältigen Gestalten; das Gemeinsame, das, was letztlich die Liebe ausmacht, ist ganz schlicht der Wunsch, einem anderen wohltun zu wollen. Lieben ist ein Tun, eine Tätigkeit, kein Zustand. Wenn wir bei Tieren nicht von Liebe sprechen, sondern von Instinkten – beim Paarungstrieb, der Brutpflege und der Aufzucht der Jungen –, wenn wir die Bezeichnung „lieben“ nur für den Menschen vorbehalten, wollen wir damit offenbar ausdrücken, dass Liebe beim Menschen mehr ist als ein bloßes Instinktverhalten, mehr auch als ein sexueller oder gar gattungserhaltender Trieb, dass zu alldem etwas hinzukommen muss, was es erst im Bereich des Menschlichen gibt. Dieses Etwas ist begrifflich-rational schwer zu fassen; hier scheitert unser Bemühen, die Liebe zu erklären, zu definieren oder, wie wir das heute auf so vielfältige Weise versuchen, machbar zu machen.

Über die Liebe zu sprechen oder zu schreiben sollte daher eigentlich den Liebenden und den Dichtern vorbehalten bleiben, denen also, die von ihr ergriffen sind. Wenn sich dagegen die Wissenschaft ihrer bemächtigt, bleibt von der Liebe oft wenig mehr übrig als Triebe, Reflexe und scheinbar machbare oder erlernbare Verhaltensweisen, als biologische Daten, messbare physiologische und testbare psychologische Reaktionen, die zwar alle auch zu dem Phänomen Liebe gehören, mit denen wir es aber nicht erfassen. Dem Wesen der Liebe kommen wir damit nicht näher, denn sie ist etwas, das aus der Ganzheit unseres Wesens, aus unserer Gesamtpersönlichkeit kommt und sich nicht aus der Sicht einer Teilwissenschaft erklären noch sich durch irgendwelche Techniken erlernen lässt. Sowenig eine gekonnte Technik allein den Künstler ausmacht, sowenig macht eine gekonnte sexuelle Technik den Liebenden aus. Programmierte Streicheleinheiten sowie erlernbare Verhaltensweisen einem Partner gegenüber lassen keine Erlebnisweise gleichsam züchten, die aus unserer Wesensmitte kommt – wenn Lieben so einfach machbar und zu erlernen wäre, hätten wir es längst gelernt. All solche Rezepte können allenfalls den Boden vorbereiten helfen, auf dem Liebe erwachsen kann, und sie haben ihre Bedeutung; aber wenn sie mit dem Anspruch auftreten, Liebe lehren zu können, ist das irreführend. Wie der Glaube nicht von der Anzahl der Gebete, erfüllter Rituale oder der Kirchenbesuche abhä