Durch die Vordatierung eines wichtigen Teils der vermeintlichen ‚Frankfurter Schriften‘ wird die bisher so schroff erscheinende Zäsur zwischen Hegels Berner und Frankfurter Arbeiten zwar nicht eingeebnet, aber doch geglättet, und hierdurch werden die ‚religionsphilosophischen‘ Arbeiten Hegels aus der Frankfurter Zeit etwas ‚ausgedünnt‘. Doch damit scheint mir nichts verloren – im Gegenteil: Diesem kleinen ‚Verlust‘ steht ein beträchtlicher Gewinn gegenüber.
Vor gut einhundert Jahren hat Nohl mitHegel’s theologischen Jugendschriften gleichsam die Textbasis zurJugendgeschichte Hegels8 Wilhelm Diltheys, seines „verehrten Lehrers“, nachgeliefert – diesen Zusammenhang betont Nohl ja gleich im ersten Satz seiner Vorrede. Und er sagt dort noch mehr, nämlich: Seine Ausgabe enthalte „alles, was uns von Hegels Niederschriften aus der ersten, größeren Hälfte seiner Entwicklungszeit, von 1790 – 1800, erhalten ist. Es fehlen“ – abgesehen von ein paar Kleinigkeiten – „nur die politischen Arbeiten, die ihn schon damals neben den philosophischen beschäftigten“ – denn Rosenkranz, Haym und Mollat hätten davon schon „das Nöthigste“ gegeben. Mit diesen dürren und auch nicht ganz zutreffenden Worten hat Nohl Diltheys Bild des jungen Hegel für die Hegel-Rezeption des 20. Jahrhunderts kanonisiert. Einwände dagegen sind nur spärlich vorgetragen worden, und sie konnten sich nicht gegen die kompakte Masse und die inhaltliche Attraktivität der Edition Nohls behaupten. Er schreibt deshalb auch – recht zuversichtlich –, daß selbst das „Auftauchen“ der von Rosenkranz noch erwähnten, seitdem aber verschollenen Arbeiten Hegels über KantsMetaphysik der Sitten und über StewartsStaatswirtschaft seine Darstellung nicht „wesentlich umwerfen könnte“.
Nun gibt es leider keine Möglichkeit, diese Prognose zu überprüfen – denn diese Texte sind weiterhin verschollen, wahrscheinlich sogar willentlich vernichtet. Doch trotz des Fehlens vieler wichtiger Texte bietet die neue Edition ein sehr viel reicheres, farbigeres Gesamtbild. Sie hat ja tendenziell sämtliche Texte aus Hegels Frankfurter Zeit zu präsentieren – ohne inhaltliche Vorauswahl –, und dadurch verschieben sich die Akzente: weg von dem durch Diltheys Interpretation wi