: Walter Jaeschke
: Hegels Philosophie
: Felix Meiner Verlag
: 9783787337651
: 1
: CHF 20.30
:
: Philosophie
: German
: 431
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Walter Jaeschke ist einer der profiliertesten deutschen Hegel-Forscher und besitzt als Herausgeber der Akademieausgabe der »Gesammelten Werke« (GW) Hegels, langjähriger Direktor des Hegel-Archivs an der Ruhr-Universität Bochum und erfahrener Editor einen wohl einzigartigen Überblick über Hegels Schriften. In den letzten 15 Jahren hat er eine Reihe von Beiträgen zu beinahe allen zentralen Themen der Hegelschen Philosophie verfasst, die zum Teil an entlegenen Orten erschienen und nun in Auswahl in diesem Buch zusammengestellt sind. Sensationell ist der Editionsbericht zu GW 2, mit dem der Band eröffnet wird: Mit Hilfe neuer Schrift- und Papieranalysen, die eine veränderte Datierung der Frankfurter Schriften ermöglichen, kann Jaeschke zeigen, dass das Bild, nach dem Hegel sich als junger Mann vor allem mit Theologie beschäftigt habe, eine Erfindung seiner Nachlassverwalter war, die nach seinem Tod nachgelassene Texte selektiv vernichteten, um den inzwischen als Pantheisten verketzerten Hegel als Theologen zu kanonisieren. Die thematische Spannweite der Aufsätze und Vorträge des Bandes reicht vom Frühwerk über die Phänomenologie des Geistes (»Die Erfahrung des Bewusstseins«, »Das Selbstbewusstsein des Bewusstseins« und »Das absolute Wissen«) und die Wissenschaft der Logik bis zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts, berührt die Hegelsche Verfassungsschrift (»Machtstaat und Kulturstaat«), metaphysisches bzw. vielmehr metaphysik-kritisches Denken bei Hegel, die Begriffe Person/Persönlichkeit und Anerkennung, das Verhältnis zwischen dem Geist und den Wissenschaften sowie Hegels Anthropologie. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit Hegels - oftmals simplifizierend aufgefasster - Geschichtsphilosophie, seinem Verhältnis zur antiken griechischen Kultur, seiner Ästhetik und Religionsphilosophie sowie der Kritik an der Romantik. Das abschließende Kapitel beleuchtet die Fragwürdigkeit des Epochenbegriffs »Deutscher Idealismus«.

Walter Jaeschke (geboren 1945, gestorben 2022) war Professor für Philosophie mit besonderer Berücksichtigung des Deutschen Idealismus an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1998 bis 2016 war er Direktor des dortigen Hegel-Archivs. Er war Leiter und Herausgeber der Ausgabe »G.W.F. Hegel. Gesammelte Werke« (bis 2016 herausgegeben von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften) sowie der Werke- und der Briefwechsel-Ausgaben Friedrich Heinrich Jacobis.

II. Ein Rundblick – das Corpus der Frankfurter Schriften Hegels


Durch die Vordatierung eines wichtigen Teils der vermeintlichen ‚Frankfurter Schriften‘ wird die bisher so schroff erscheinende Zäsur zwischen Hegels Berner und Frankfurter Arbeiten zwar nicht eingeebnet, aber doch geglättet, und hierdurch werden die ‚religionsphilosophischen‘ Arbeiten Hegels aus der Frankfurter Zeit etwas ‚ausgedünnt‘. Doch damit scheint mir nichts verloren – im Gegenteil: Diesem kleinen ‚Verlust‘ steht ein beträchtlicher Gewinn gegenüber.

Vor gut einhundert Jahren hat Nohl mitHegel’s theologischen Jugendschriften gleichsam die Textbasis zurJugendgeschichte Hegels8 Wilhelm Diltheys, seines „verehrten Lehrers“, nachgeliefert – diesen Zusammenhang betont Nohl ja gleich im ersten Satz seiner Vorrede. Und er sagt dort noch mehr, nämlich: Seine Ausgabe enthalte „alles, was uns von Hegels Niederschriften aus der ersten, größeren Hälfte seiner Entwicklungszeit, von 1790 – 1800, erhalten ist. Es fehlen“ – abgesehen von ein paar Kleinigkeiten – „nur die politischen Arbeiten, die ihn schon damals neben den philosophischen beschäftigten“ – denn Rosenkranz, Haym und Mollat hätten davon schon „das Nöthigste“ gegeben. Mit diesen dürren und auch nicht ganz zutreffenden Worten hat Nohl Diltheys Bild des jungen Hegel für die Hegel-Rezeption des 20. Jahrhunderts kanonisiert. Einwände dagegen sind nur spärlich vorgetragen worden, und sie konnten sich nicht gegen die kompakte Masse und die inhaltliche Attraktivität der Edition Nohls behaupten. Er schreibt deshalb auch – recht zuversichtlich –, daß selbst das „Auftauchen“ der von Rosenkranz noch erwähnten, seitdem aber verschollenen Arbeiten Hegels über KantsMetaphysik der Sitten und über StewartsStaatswirtschaft seine Darstellung nicht „wesentlich umwerfen könnte“.

Nun gibt es leider keine Möglichkeit, diese Prognose zu überprüfen – denn diese Texte sind weiterhin verschollen, wahrscheinlich sogar willentlich vernichtet. Doch trotz des Fehlens vieler wichtiger Texte bietet die neue Edition ein sehr viel reicheres, farbigeres Gesamtbild. Sie hat ja tendenziell sämtliche Texte aus Hegels Frankfurter Zeit zu präsentieren – ohne inhaltliche Vorauswahl –, und dadurch verschieben sich die Akzente: weg von dem durch Diltheys Interpretation wi