Dieses Buch folgt der Fährte eines Tiers. Es nimmt seine Spur auf und beobachtet seinen Platz in verschiedenen Habitaten. Es verfolgt, wo dieses Tier vorbeikommt, bietet Panoramen seiner Räume, zeigt Wege und Orte und «zoomt» gelegentlich auch ganz nahe heran, es fokussiert auf Ausschnitte und zeigt Details. Und dennoch ist es kein naturkundliches Buch, sein Zugang unterscheidet sich grundlegend von Büchern oder Fernsehsendungen, die sich mit der heimischen Natur und ihren Wildtieren beschäftigen.1 Dieses Buch verfolgt vielmehr die Spuren eines Tiers in der Gesellschaft, genauer des Wolfs in der Schweiz, und interessiert sich für die kulturellen Umgangsweisen mit dessen Rückkehr seit Mitte der 1990er-Jahre. Mit seiner zunächst zögerlichen, in den vergangenen Jahren aber unaufhaltsamen Etablierung begann der Wolf auch seinen Platz in der sozialen Welt zu reklamieren.
Die Zahl der dauerhaft in der Schweiz lebenden Wölfe ist mittlerweile dreistellig, die der Rudel zweistellig. Diese Zahlen mögen, so wenig dieses Buch seine Zugangsweisen an ihnen festmachen will, gemessen an den Beständen anderer Wildtiere gering erscheinen, gemessen am Anspruch der Menschen, über andere Arten, ihre Präsenz und Bestände nahezu unbeschränkt verfügen zu können, sogar verschwindend gering. Nimmt man aber die Spuren in den Blick, die diese vergleichsweise wenigen Tiere in den vergangenen Jahren in den Vorstellungs- und Lebenswelten der Schweizer Bevölkerung und in der Folge in Politik und Öffentlichkeit dieses Landes hinterlassen haben, ergibt sich ein gänzlich anderes Bild. Die Rückkehr der Wölfe hat, so unbemerkt sie sich de facto für viele vollzogen hat, zumindest für Irritationen gesorgt. Sie hat Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt und Konfliktlinien aufgebrochen, die zum einen unmittelbar mit der Lebensweise dieses Grossraubtiers zu tun haben, zum anderen mittelbar und oftmals nur kulturell vermittelt durch seine Präsenz erst sichtbar und spannungsgeladen werden konnten.