: Elisa Frank, Nikolaus Heinzer, Lukas Denzler, Bernhard Tschofen, Gianna Molinari
: Wölfe in der Schweiz Eine Rückkehr mit Folgen
: Hier und Jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
: 9783039199907
: 1
: CHF 37.30
:
: Natur, Technik
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vor mehr als 25 Jahren sind die ersten Wölfe nach langer Abwesenheit wieder in der Schweiz gesichtet worden. Die Irritationen in der Berglandwirtschaft waren gross. Und bis heute wird kontrovers diskutiert, ob der Wolf oder auch andere Raubtiere hier wieder ein Existenzrecht haben sollen. Umso mehr, als sich mittlerweile über hundert Tiere, teils in Rudeln, in verschiedenen Teilen des Landes etabliert haben und immer öfter auch im Mittelland und im Jura gesichtet werden. Der Wolf polarisiert. Die Autoren haben sich mit Wildhütern, Behörden, Fachstellen und Nutztierhaltern ausgetauscht. Ihr Buch lotet die vielschichtigen, sich verändernden und oft verborgenen Beziehungen zwischen Menschen und wilden Tieren aus. Es erkundet nicht die wildtierbiologischen Aspekte des Wolfs, sondern beleuchtet Fakten und Emotionen. Damit trägt es zum besseren Verständnis der Konflikte rund um das Nebeneinander von Mensch, Nutztier und Wolf bei.

Elisa Frank und Nikolaus Heinzer haben am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft der Universität Zürich zur Rückkehr der Wölfe geforscht. Lukas Denzler ist Forstwissenschaftler und Geschäftsführer des Schweizerischen Forstvereins. Bernhard Tschofen ist Kulturwissenschaftler und Ethnologe. Er lehrt und forscht an der Universität Zürich.

Bernhard Tschofen


Die Rückkehr der Wölfe als Kulturthema. Eine Einleitung


Dieses Buch folgt der Fährte eines Tiers. Es nimmt seine Spur auf und beobachtet seinen Platz in verschiedenen Habitaten. Es verfolgt, wo dieses Tier vorbeikommt, bietet Panoramen seiner Räume, zeigt Wege und Orte und «zoomt» gelegentlich auch ganz nahe heran, es fokussiert auf Ausschnitte und zeigt Details. Und dennoch ist es kein naturkundliches Buch, sein Zugang unterscheidet sich grundlegend von Büchern oder Fernsehsendungen, die sich mit der heimischen Natur und ihren Wildtieren beschäftigen.1 Dieses Buch verfolgt vielmehr die Spuren eines Tiers in der Gesellschaft, genauer des Wolfs in der Schweiz, und interessiert sich für die kulturellen Umgangsweisen mit dessen Rückkehr seit Mitte der 1990er-Jahre. Mit seiner zunächst zögerlichen, in den vergangenen Jahren aber unaufhaltsamen Etablierung begann der Wolf auch seinen Platz in der sozialen Welt zu reklamieren.

Die Zahl der dauerhaft in der Schweiz lebenden Wölfe ist mittlerweile dreistellig, die der Rudel zweistellig. Diese Zahlen mögen, so wenig dieses Buch seine Zugangsweisen an ihnen festmachen will, gemessen an den Beständen anderer Wildtiere gering erscheinen, gemessen am Anspruch der Menschen, über andere Arten, ihre Präsenz und Bestände nahezu unbeschränkt verfügen zu können, sogar verschwindend gering. Nimmt man aber die Spuren in den Blick, die diese vergleichsweise wenigen Tiere in den vergangenen Jahren in den Vorstellungs- und Lebenswelten der Schweizer Bevölkerung und in der Folge in Politik und Öffentlichkeit dieses Landes hinterlassen haben, ergibt sich ein gänzlich anderes Bild. Die Rückkehr der Wölfe hat, so unbemerkt sie sich de facto für viele vollzogen hat, zumindest für Irritationen gesorgt. Sie hat Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt und Konfliktlinien aufgebrochen, die zum einen unmittelbar mit der Lebensweise dieses Grossraubtiers zu tun haben, zum anderen mittelbar und oftmals nur kulturell vermittelt durch seine Präsenz erst sichtbar und spannungsgeladen werden konnten.