: Rob Boddice
: Die Geschichte der Gefühle von der Antike bis heute
: Theiss in der Verlag Herder GmbH
: 9783806240139
: 1
: CHF 16.60
:
: Kulturgeschichte
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gefühl machen Geschichte: Wut und Unzufriedenheit waren immer schon der Antrieb für Revolution und Umsturz. Das 'Streben nach Glück' stellte in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung die Vision einer besseren Zukunft dar. Nachhaltig wurde die Welt durch die Aufklärung geprägt, in der irrationale Affekte von rationalen Gedanken strikt getrennt wurden. Gefühle haben aber auch eine Geschichte und ändern mit der Zeit ihre Bedeutung. Sie zu verstehen, ermöglicht es uns in historische Epochen und deren Akteure hineinzuversetzen und die Vergangenheit neu zu interpretieren. Zum ersten Mal werden unseren Emotionen epochenübergreifend die Bedeutung verliehen, die sie für unsere Historie haben. Rob Boddices Geschichte der Gefühle eröffnet damit völlig neue Blickwinkel auf die Antike über die Neuzeit bis hin zur Gegenwart.

Rob Boddice arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin. Er ist Gastwissenschaftler im Forschungsbereich 'Geschichte der Gefühle' am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, und wirkte zuvor als Marie-Curie Cofund Fellow in Berlin, als Honorary Research Fellowship am Birkbeck Pain Project in London und als Postdoc Fellow am Department of the History of Science an der Harvard University.

1 Archaische und klassische Leidenschaften


Die Archaik und die Klassik des antiken Griechenland gehören in Bezug auf die Leidenschaften mitsamt ihrer Bedeutung, ihrem Wert und ihrem Erleben zu den am besten erforschten Zeiten. Ein Großteil der Forschung fokussiert auf die Literatur und Philosophie dieser Epochen: ergiebige Quellen mit weitreichendem Einfluss.1 Es kann hier also keine umfassende Darstellung erfolgen, ebenso wenig, wie irgendeine andere Epoche vollständig behandelt werden kann. Stattdessen habe ich eine Auswahl getroffen, die beispielhaft für die Komplexität und Fremdheit der antiken griechischen Leidenschaften stehen soll – in Bezug darauf, wie sie beschrieben, aber auch wie sie erlebt wurden (insoweit wir hierzu überhaupt Vermutungen anstellen können).2 Ich betrachte vier »Emotionen«, die oberflächlich betrachtet vertraut und unkompliziert erscheinen: Wut, Angst, Scham und Glück.

Anhand von HomersIlias, Thukydides’ (460–400 v. Chr.)Peloponnesischem Krieg und Aristoteles’ (384–322 v. Chr.)Nikomachischer Ethik will ich zeigen, dass diese bloßen Etikette – Wut, Angst, Scham, Glück – in Bezug auf das, was im Griechischen damit gemeint ist, mehr verschleiern, als sie enthüllen. Zu Beginn beziehe ich mich zwar auf diese vertrauten Emotionsbegriffe, aber ich werde zeigen, dass sie nur mit Vorsicht