: Laurence Rees
: Auschwitz Geschichte eines Verbrechens
: Ullstein
: 9783843701891
: 1
: CHF 7.30
:
: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In dieser ebenso fundierten wie erschütternden Darstellung gelingt es Laurence Rees, dem Leser die unfaßbaren Geschehnisse des Holocaust nachvollziehbar vor Augen zu führen - mit einem beunruhigenden Fazit: Der Holocaust ist kein düsterer Alptraum, kein singulärer Exzeß, sondern Ergebnis der menschlichen Veranlagung.

Laurence Rees ist einer der führenden Regisseure und Produzenten historischer Dokumentationen. Seine Serien für die BBC erreichten weltweit ein großes Publikum. Die Nazis: Eine Warnung der Geschichte und Hitlers Krieg im Osten erschienen als Buch auch auf Deutsch. Für Auschwitz recherchierte er mehr als 15 Jahre.

Einführung


Es steht viel Verstörendes in diesem Buch; trotzdem meine ich, daß die Arbeit notwendig war. Nicht nur, weil Umfragen1 gezeigt haben, daß im allgemeinen Bewußtsein noch Verwirrung über die Geschichte von Auschwitz herrscht, sondern auch weil ich hoffe, daß dieses Buch etwas Spezifisches beiträgt.

Es ist das Resultat von 15 Jahren der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in Fernsehsendungen und Büchern, und es ist ein Versuch zu zeigen, daß man eines der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte am besten versteht, wenn man es durch das Prisma eines Ortes betrachtet: Auschwitz. Für Auschwitz gibt es, anders als für den Antisemitismus, ein ganz bestimmtes Anfangsdatum (die ersten polnischen Gefangenen kamen am 14. Juni 1940 hierher), und ebenso gibt es, anders als für die Geschichte des Völkermords, ein genau definiertes Ende (das Lager wurde am 27. Januar 1945 befreit). Zwischen diesen zwei Daten erlebte Auschwitz eine komplexe und befremdliche Geschichte, die in vielerlei Hinsicht die Undurchschaubarkeit der Rassen- und Volkspolitik der Nationalsozialisten spiegelte. Auschwitz war nicht als ein Lager geplant, in dem Juden vernichtet werden sollten, es war ja auch nicht nur mit der »Endlösung« befaßt – obwohl die zum beherrschenden Merkmal wurde –, und es veränderte sich ständig, oft als Reaktion auf das wechselnde Kriegsglück der Deutschen anderswo. Auschwitz war mit seiner destruktiven Dynamik die Verkörperung der Grundwerte des NS-Staates.

Die Beschäftigung mit Auschwitz bietet uns noch etwas anderes als Einsichten in den Nationalsozialismus; sie gibt uns die Möglichkeit zu verstehen, wie Menschen sich unter extremsten Bedingungen verhalten haben. Aus dieser Geschichte erfahren wir viel über uns selbst.

Dieses Buch beruht auf ungewöhnlichen Forschungen – etwa einhundert hierfür geführten Interviews mit ehemaligen NS-Tätern und mit Überlebenden des Lagers –, und stützt sich darüber hinaus auf Hunderte von weiteren Gesprächen aus meiner früheren Arbeit über das »Dritte Reich«, darunter mit vielen ehemaligen Mitgliedern der NSDAP.2 Wenn man Überlebende und Täter persönlich trifft und mit ihnen sprechen kann, ist das von größtem Vorteil. Es bietet Möglichkeiten zu einem Niveau an Einsichten, die sich kaum aus geschriebenen Quellen allein erschließen würden. Ich bin eigentlich seit meiner Schulzeit an dieser historischen Epoche interessiert, aber den tiefsten Eindruck, den ich vom »Dritten Reich« bekam, kann ich an einem ganz bestimmten Gespräch mit einem früheren Mitglied der NSDAP im Jahr 1990 festmachen. Ich arbeitete an einem Film über Joseph Goebbels und sprach deshalb mit Wilfred von Oven, der eng mit dem berüchtigten Reichspropagandaminister zusammengearbeitet hatte. Als wir nach dem eigentlichen Interview noch bei einer Tasse Tee zusammensaßen, fragte ich diesen intelligenten und charmanten Menschen: »Wenn Sie Ihre Erfahrungen aus dem ›Dritten Reich‹ in einem einzigen Wort zusammenfassen k