: Irmgard Keun
: Heinrich Detering, Beate Kennedy
: Kein Anschluss unter dieser Nummer Gespräche statt einer Autobiographie
: Kampa Verlag
: 9783311703792
: 1
: CHF 15.20
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In ihren letzten Lebensjahren hat Irmgard Keun Freunden und Bekannten am Telefon aus ihrer Autobiographie vorgelesen. »Kein Anschluss unter dieser Nummer« sollte sie heißen. Nach ihrem Tod im Mai 1982 fand sich davon allerdings keine einzige Zeile - Keun hatte druckreife Passagen eines Buchs improvisiert, das nie geschrieben wurde. Schon früh zeigte sich Keuns Phantasie nicht nur in ihren Texten, sondern auch im Erzählen über sich selbst. Bei Erscheinen ihres ersten Romans Gilgi, eine von uns, mit dem Keun 1931 über Nacht berühmt wurde, machte sie sich fünf Jahre jünger - so jung wie ihre Protagonistin. 1940 nutzte sie eine Falschmeldung über ihren Selbstmord im Daily Telegraph und kehrte unter neuem Namen aus dem niederländischen Exil nach Deutschland zurück. Nach dem Krieg interessierte sich niemand mehr für die Starautorin der Weimarer Republik. Keun lebte verarmt und schwer alkoholkrank in den Ruinen ihres Elternhauses in Köln. Erst 1977 wurde sie wiederentdeckt. Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Journalisten rissen sich nun darum,sie zu interviewen. Die bis zu Keuns Tod entstandenen Gespräche, die hier zum ersten Mal in Buchform erscheinen, beweisen, dass sie nichts von ihrem Witz, ihrer Fabulierfreude und ihrem Scharfblick verloren hatte. Sie sind im eigentlichen Sinne ihr letztes Buch.

Heinrich Detering, 1959 in Neumünster geboren, ist Literaturwissenschaftler, Lyriker und Übersetzer. 2018 war er Fellow am Thomas Mann House in Pacific Palisades, Los Angeles.

»Und ich war ja auch mitten in die Politik hineingemengt.«


Mit Kyra Stromberg,1979

Die Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Übersetzerin  unter anderem Biographin von Djuna Barnes, Zelda Fitzgerald und F. Scott Fitzgerald  Kyra Stromberg (19162006) interviewte Irmgard Keun1979 für dieWDR-Sendereihe »Das Gespräch«.

Die Darstellung des Prostituiertenmilieus inGilgi, eine von uns ist so glaubwürdig, dass man sich fragt, ob Sie darin gelebt haben oder Freunde hatten.

Ach, da hatt ich viele Bekannte  also da bin ich mit einer Freundin, Anja Schawinski, wir gingen da jeden Vormittag gingen wir dahin, wir streunten durch Köln, landeten dann unten in diesen Rheingassen und  ja  da ergaben sich Kontakte  mit den  mit den Nutten, und die waren sehr nett, und einmal hat mich so n Zuhälter  hat mich sogar also n Stück gebracht und gesagt: »Weiter will ich nicht mitgehen, das macht keinen guten Eindruck.« Also die waren sehr höflich. Und als ich einmal nach Deutz wollte, also ich ging immer so gern über Brücken und von den Brücken zurück in die Stadt, um sie richtig zu sehen und  noch romantisch, da hat sie gerade achthundert Mark bekommen: »Die will ich nicht mitnehmen, sonst geb ich sie aus, die hol ich morgen wieder ab«, und das wurde alles so artig und nett besorgt also  auf die konnt ich mich verlassen. Besser als auf die Polizei.

Sie selber kommen aus einem normalen gutbürgerlichen Milieu 

Ja. Ja.

Und hat man Sie so laufen lassen?

Ich lief einfach.

Aber da gibt s doch auch manchmal elterliche Proteste 

Die wussten gar nicht, wo ich hinging. Natürlich gelesen haben sie s dann.

Aber sie haben ja auch gemerkt, dass Sie nicht immer artig am Schulpult saßen und fein Ihre Schularbeiten machten. Ich meine, Sie müssen ja wahnsinnig jung gewesen sein, als Sie das alles geschrieben haben?

Ja.

Das ist ja ungewöhnlich. Da haben Sie gewiss noch zu Hause gelebt?

Ja, da hab ich zu Hause gelebt.

Waren die Eltern tolerant, im Allgemeinen?

Ach ja, das waren sie, irgendwie  Also denen blieb auch nichts anderes übrig. Doch, sie waren sehr tolerant.

Hatten Sie Vorstellungen davon, was Ihr Leben eigentlich sein sollte? Haben Sie wählen können?

Nein. Ich bin erst zur Schauspielschule gegangen und wollte irgendwas mit Theater machen. War dann am Hamburger Thalia Theater, danach in Gr