1. KAPITEL
Eine ungewohnte Umgebung erwartete Marco, als er wieder erwachte. Er versuchte, sich aufzurichten, doch eine Hand hielt ihn zurück.
„Bleiben Sie liegen, Capitán.“
„Wo bin ich?“
„Im Krankenhaus.“
Marco kannte den Mediziner. „Dr. Herrera, wie geht es meinen Männern?“
„Wir müssen über Sie sprechen.“
„Nein, über meine Leute. Hat jemand aus dem ersten Jeep überlebt?“
„Leider nein, aber aus Ihrem Wagen sind alle noch am Leben. Einige durch den Aufprall verletzt, aber nichts Ernstes.“
„Okay. Ich muss …“
Weiter kam er nicht, der Arzt unterbrach ihn energisch. „Sie müssen mir jetzt zuhören. Es sei denn, Sie wollen Ihre Hand verlieren.“
„Sagen Sie mir, was los ist.“
„Beugesehnenverletzung.“
Als Marco ihn verständnislos anblickte, erklärte Dr. Herrera: „Die Beugesehnen verbinden Ihre Unterarmmuskeln mit Daumen- und Fingerknochen. Sie sorgen dafür, dass Sie Ihre Finger krümmen und wieder strecken können.“
Er erinnerte sich an den Moment im Jeep, als das unmöglich gewesen war. Marco versuchte, die Hand zur Faust zu schließen. Zeige- und Mittelfinger bewegten sich nicht, und die Hand tat höllisch weh.
„Sehen Sie? Ich vermute, die Windschutzscheibe ist gesplittert, und Sie haben die Hand hochgerissen, um Ihre Augen zu schützen?“
„Ja.“
„Anscheinend haben Glassplitter eine Sehne, vielleicht auch mehrere, durchtrennt. Da sie nicht von selbst heilen, müssen wir etwas unternehmen.“
„Eine Operation?“
„Mikrochirurgie, und zwar innerhalb der ersten zwölf, allerhöchstens vierundzwanzig Stunden. Je länger Sie warten, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass an den Enden der beschädigten Sehnen Narbenbildung einsetzt.“
„Und das bedeutet?“
„Unterm Strich? Verminderte Beweglichkeit Ihrer Hand.“
Das genügte, um Marco zu überzeugen. „Okay. Tun Sie, was Sie tun müssen.“
Dr. Herrera schüttelte den Kopf. „Ich kann Sie nicht operieren. Außer dem Mikrochirurgen muss sich ein speziell ausgebildeter plastischer Chirurg Ihrer Hand annehmen, sobald die Sehnen genäht sind und die Wunde verheilt ist. Unser Zeitfenster liegt bei vierundzwanzig Stunden ab dem Zeitpunkt der Verletzung. Sagen wir, zwei Stunden hat es gedauert, Sie vom Explosionsort hierherzubringen. Sieben Stunden brauchen Sie mit dem Flugzeug nach London, eine für die Fahrt vom Flughafen zum Krankenhaus …“ Er verzog das Gesicht. „Ich muss Sie sofort in einen Flieger verfrachten.“
Marcos Chef Comandante Molina kam ins Zimmer und schien den letzten Satz gehört zu haben. „Du kennst die Regeln, Marco. Ärztliche Order steht höher als militärische. Ab ins Flugzeug mit dir.“
„Was ist mit meinen Leuten?“
„Um die Verwundeten kümmere ich mich, die sind hinterher so gut wie neu“, meldete sich Dr. Herrera zu Wort.
„Und ich spreche mit den Angehörigen“, fügte Comandante Molina hinzu.
„Ihr wollt ernsthaft, dass ich mich nach London absetze?“ Marco gefiel das gar nicht.
„Ja, und zwar in die Hunter Clinic. Zu Leo und Ethan Hunter. Die beiden haben einen exzellenten Ruf, was die Behandlung verletzter Soldaten angeht. Einer von ihnen war Militärarzt“, erklärte der Comandante.
Die Hunter Clinic. Marco hatte davon gehört. Marianna, die Verlobte seines älteren Bruders Ferdinand, war Anfang des Jahres wegen einer Lidstraffung dort gewesen. „Ich dachte, die machen nur Schönheitsoperationen.“
„Nein, Sie haben auch Spezialisten für rekonstruktive Chirurgie.“ Molina verschränkte die Arme vor der Brust. „Mikrochirurgie, Handchirurgie – genau, was du brauchst.“
Ihm schien keine Wahl zu bleiben. Trotzdem gab er noch nicht auf. „Warum kann ich nicht hier operiert werden? Für die Moral der Truppe ist es bestimmt besser. Ich möchte nicht, dass jemand denkt, ich bekomme wegen meiner Herkunft eine Sonderbehandlung.“
„Darum geht es nicht. Aber wir können nicht garantieren, dass die Medien sich nicht in die Sache reinhängen“, meinte der Comandante. „Und ich gebe zu, dass deine Mutter bereits interveniert hat.“
Seine Mutter machte sich ständig Sorgen um ihn. Sie sähe ihn lieber heute als morgen aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Wie oft hatten sie hitzige Diskussionen darüber geführt? Diese Verletzung war nur