IÜber Heilung
Die Energie der Achtsamkeit
Die Energie der Achtsamkeit ist die Salbe, die das innere Kind heilen wird. Doch wie entwickeln und kultivieren wir diese Energie? In der buddhistischen Psychologie unterscheidet man zwei Teile des Bewusstseins. Der eine Teil ist das Geistbewusstsein und der andere das Speicherbewusstsein. Geistbewusstsein ist unsere aktive Bewusstheit oder unser aktives Gewahrsein. In der westlichen Psychologie nennt man es einfach »Bewusstsein«. Um die Energie der Achtsamkeit zu entwickeln, versuchen wir, unser aktives Gewahrsein in sämtliche unserer Aktivitäten einzubeziehen und wahrhaft präsent bei all unserem Tun zu sein. Wir wollen achtsam sein, wenn wir unseren Tee trinken oder durch die Stadt fahren. Gehen wir, wollen wir des Gehens gewahr sein. Atmen wir, wollen wir des Atmens gewahr sein.
Das Speicherbewusstsein, auch Wurzelbewusstsein genannt, ist die Basis, die Grundlage unseres Bewusstseins. In der westlichen Psychologie wird es »das Unterbewusstsein« genannt. Darin sind all unsere vergangenen Erfahrungen gespeichert. Das Speicherbewusstsein ist in der Lage zu lernen und Informationen zu verarbeiten.
Oft ist unser Geist nicht bei unserem Körper. Wir sind manchmal mit unseren täglichen Aktivitäten befasst, ohne dass dabei unser Geistbewusstsein beteiligt wäre. Viele Dinge können wir allein mit dem Speicherbewusstsein erledigen, und das Geistbewusstsein kann an tausend andere Sachen denken. Wenn wir zum Beispiel mit dem Auto durch die Stadt fahren, denkt das Geistbewusstsein vielleicht überhaupt nicht ans Fahren, doch wir erreichen trotzdem unser Ziel, ohne uns zu verfahren oder einen Unfall zu haben. Das ist dem Speicherbewusstsein zu verdanken, das ganz eigenständig arbeitet.
Bewusstsein ist wie ein Haus, mit dem Speicherbewusstsein als Keller und dem Geistbewusstsein als Wohnzimmer. Geistige Gebilde oder Geistesformationen wie Wut, Kummer oder Freude ruhen in Form von Samen(bija) in diesem Speicherbewusstsein. Wir haben Samen der Wut, Verzweiflung, Voreingenommenheit, Angst ebenso in uns wie Samen der Achtsamkeit, des Mitgefühls, des Verstehens und so weiter. Das Speicherbewusstsein besteht aus sämtlichen Samen, und es ist auch der Boden, der alle Samen bewahrt und schützt. Die Samen verbleiben dort, bis wir etwas hören, sehen, lesen oder an etwas denken, das einen Samen berührt und uns Wut, Freude oder Kummer empfinden lässt. Dann steigt ein Samen auf die Ebene des Geistbewusstseins, unseres Wohnzimmers, und manifestiert sich dort. Jetzt nennen wir es nicht mehr Samen, sondern ein geistiges Gebilde.
Wenn jemand etwas sagt oder tut, was uns aufregt und damit den Samen des Ärgers, der Wut in uns berührt, wird dieser Samen sich in unserem Geistbewusstsein als das geistige Gebilde oder die Geistesformation(cittasamskara) des Ärgers, der Wut manifestieren. Das Wort »Gebilde« oder »Formation« ist ein buddhistischer Begriff für etwas, das entstanden ist, weil viele Bedingungen zusammengekommen sind. Ein Kugelschreiber ist ein Gebilde, meine Hand, eine Blume, ein Tisch, ein Haus – sie alle sind solche Gebilde. Ein Haus ist ein physisches Gebilde. Meine Hand ist ein physiologisches Gebilde. Meine Wut ein geistiges Gebilde. In der buddhistischen Psychologie sprechen wir von51 verschiedenen Samen, die sich als51 geistige Gebilde manifestieren können. Wut ist nur eins davon. Im Speicherbewusstsein wird Wut Samen genannt; im Geistbewusstsein geistiges Gebilde.
Wann immer ein Samen, zum Beispiel der des Ärgers, in unser Wohnzimmer kommt und sich als geistiges Gebilde manifestiert, können wir als Erstes den Samen der Achtsamkeit berühren und ebenfalls einladen, einzutreten. Jetzt haben wir zwei geistige Gebilde im Wohnzimmer. Das ist Achtsamkeit für den Ärger. Achtsamkeit ist immer Achtsamkeit, die sich auf etwas bezieht. Atmen wir achtsam, sind wir auf den Atem achtsam. Gehen wir achtsam, ist das Achtsamkeit auf das Gehen. Es