Freiheit durch forschendes Fragen
Da kommt es darauf an, alle »spirituellen Ausweichmanöver«, wie ich es gern nenne, zu unterlassen und eben nicht zu leugnen oder geflissentlich zu übersehen, dass wir uns doch wieder identifiziert haben. Zu diesem Zweck greifen wir gern auf nonduale Formeln zurück und sagen uns beispielsweise: »Ach, das ist einfach Identifikation. Sie passiert eben, und es ist niemand da, der sich identifizieren könnte. Alles geschieht einfach nur so, ganz von selbst.«
Das ist eine ebenso subtile wie wirksame Art, uns vor uns selbst zu verstecken. So lässt sich die Auseinandersetzung mit unserem nach wie vor bestehenden Hang zu Identifikationen umgehen. Aber genau das ist so wichtig: diese Augenblicke der erneuten Identifikation ungeschönt zur Kenntnis zu nehmen und genau zu betrachten.
Für diese Selbsterforschung gibt es viele verschiedene Vorgehensweisen. Ich habe das Schreiben als hilfreich empfunden, vor dem Erwachen und einige Zeit darüber hinaus. Sobald ich bemerkte, dass ich dabei war, in die Identifikation zurückzufallen, habe ich mich mit Schreibblock und Stift in ein Café verzogen und geschrieben. Beim Schreiben über das, was vorgegangen war, fand ich leichter in den Gedankengang zurück, der die erneute Identifikation ausgelöst hatte. Ich präzisierte dann, welcher Gedanke oder Glaubenssatz mich wieder »erwischt« hatte und was für ein Weltbild dahinter stand.
Angenommen, wir hätten etwas getan, was uns peinlich ist oder wobei wir uns blöd vorkommen, und dann regt sich der Gedanke: »Das hätte ich besser gelassen.« Oder »Wie dumm von mir.« Wenn ihr bei einem so kleinen Gedanken ansetzt und ihm nachspürt, werdet ihr augenblicklich sehen, wie Gedanken und Gefühle ineinandergreifen und wie eins zum anderen führt. Mit einem Gedanken wie »Das hätte ich besser gelassen« geht ein Gefühl einher, vielleicht bin ich peinlich berührt oder ärgere mich. Darin leuchtet das Weltbild hinter dem Gedanken auf, und wir erkennen, wie es uns in die Identifikation zurückzieht.
Es genügt aber nicht, diese Form der Selbsterforschung einfach wie ein Werkzeug anzuwenden, denn dann erfassen wir die Dinge am Ende nur mit dem Verstand. Leider hat der Verstand oft keine Verbindung zu unserem Fühlen, und dann verstehen wir etwas vom Kopf her ganz gut, während der Konflikt auf der Gefühlsebene bestehen bleibt. Deshalb müssen wir bei dieser Selbsterforschung Körperund Geist einsetzen, Denkenund Fühlen. Nur so können wir verfolgen, welche Gedanken welche Gefühle hervorbringen und aus welchen Gefühlen welche Gedanken auftauchen. Es sind Zyklen: Ein Gedanke erzeugt ein Gefühl, und dieses Gefühl löst den nächsten Gedanken aus, der dann wieder ein Gefühl hervorbringt – und so weiter.
Wenn ich dann also mit meinen Schreibutensilien im Café saß, gab ich mir Mühe, sehr genau zu ermitteln, wie der Gedanke aussah, der den Rückfall in die Identifikation bewirkt hatte, und das schrieb ich dann auf. Ich vergegenwärtigte mir, wie von diesem Gedanken her die Welt aussah, also welchem Weltbild er entsprach. Das konnte ich aber nur, wenn ich erforschte, wie er sich anfühlte. Ich musste einkreisen, was der Glaube an diesen bestimmten – verurteilenden, peinlichen oder wie auch immer gearteten – Gedanken auf der Gefühlsebene nach sich zog. Dann ließ ich mich auf das Gefühl ein, ich gestattete mir, es wirklich zu fühlen.
Danach galt es weiterhin zu ermitteln, welche Überzeugungen und Glaubenssätze im Hintergrund standen. Wie nimmt dieses Gefühl die Welt wahr? Wie sieht es mich? Was für ein Weltbild ist das? Dabei wurde mir nach und nach klar, dass jeder Gedanke und jedes Gefühl eine ganze Welt enthält, einen minutiös durchgeformten Glauben. Durch meine Bereitschaft, auf das Gefühl einzugehen, fand ich heraus, dass es eine Stimme hat. Ich konnte diese Stimme hören, und sie berichtete von ganz bestimmten Vorstellungen und Überzeugungen.
Sehr häufig stellt sich heraus, dass die in unserem Denken und Fühlen verborgenen Vorstellungen und Überze