Sanne
Das Gespräch mit meiner Tochter hat mich bestärkt. Ich setze mich abends gleich an denPC und gehe es an. Auf der Agentur-Seite für Granny-Au-pairs steht: Benutzername, E-Mail-Adresse und dann schlägt mein Herz heftiger:
Granny
Familie sucht Granny-Au-pair
Suche Gesellschafterin
Suche Housesitterin.
Genial, denke ich.
Mensch! Was es alles gibt? Und vor allem: Was es alles gibt, von dem ich nichts weiß!
Soll ich für Alex gleich mal eine Gesellschafterin suchen, während ich als Granny unterwegs bin?
Der Gedanke bringt mich zum Lachen. Nein, sicher nicht. Er muss sich schon selbst helfen. Und bestimmt wird er sich zu helfen wissen.
Ich gebe meine Daten ein.
Es ist ein Gefühl, als würde ich etwas wahnsinnig Abenteuerliches tun. Als würde ich mich für die Besteigung des Himalaja anmelden. Oder zum Tiefschneefahren in Kanada. Oder Wildwasserrafting im Grand Canyon. Irgendetwas, das mein derzeitiges Vorstellungsvermögen übersteigt. Und eine echte Herausforderung ist. Und mir gleichermaßen Freude und Angst einflößt.
In diesem Moment höre ich die Haustüre zugehen.
Alex ist da, früher, als ich es in den letzten Monaten von ihm gewöhnt war.
Euphorisch laufe ich ihm entgegen und küsse ihn auf die Nasenspitze.
»Hoppla«, sagt er. »Das passt ja dann gerade zu dem «, und er zieht einen Blumenstrauß hervor, den er hinter seinem Rücken versteckt hat. Rote Rosen, Baccara, meine Lieblingsblumen.
Oje, denke ich und ziehe mich innerlich sofort zurück. Und ich glaube, dass mein Mund offen stehen geblieben ist.
»Möchtest du mich heiraten?«, fragt er und deutet einen Kniefall an.
»Ich «, stammele ich. Im Moment weiß ich wirklich nicht, wie ich reagieren soll. Vom ersten Gefühl her: schroff. Ich will nicht. Natürlich nicht. Ich will ihn und seine ganze Amanda-Geschichte hinter mir lassen. Auf und davon, das will ich.
Auf der anderen Seite will ich ihn nicht verletzen.
Ha! Ich will ihn nicht verletzen! Bin ich noch ganz bei Trost? Was hat er denn getan?? Mich etwa nicht verletzt?
Trotzdem. Ich kann nicht aus meiner Haut. Ich bin einfach ein Mensch, der keinem anderen wehtun kann. Nicht mal meinem eigenen Mann.
»Wie lieb von dir «, stammele ich.
»Ja, gut«, er zieht zwei Tickets hervor, »unsere zweite Hochzeitsreise habe ich auch schon in der Tasche « Über den Witz muss er lachen. »Wir nehmen beide Urlaub und fangen noch einmal von vorn an. Australien. Da wolltest du doch immer hin! Drei Wochen Rundreise. Mit allem Pipapo!«
In meinem Hirn jagt ein Gedanke den nächsten. Seit Jahren versuche ich ihn zu mehr Urlaub zu bewegen. Angeblich war das nie möglich. Wer nach oben will, kann nicht einfach für drei Wochen in den Urlaub gehen, das war die Devise. Jetzt auf einmal doch?
»Jetzt auf einmal?«, frage ich, und ich glaube, mein Misstrauen steht mir ins Gesicht geschrieben.
»Lass uns doch erst mal reingehen«, sagt er. Stimmt. Wir stehen immer noch auf dem Flur.
»Und dann?«, frage ich.
»Dann trinken wir ein Gläschen Champagner, und ich zeige dir unsere Reiseroute.«
»Wir haben keinen Champagner.« Den Zusatz: Ich heiße schließlich nicht Amanda, verkneife ich mir.
»Ich werde schon eine Flasche auftreiben.«
Ganz der alte, ganz der Mann von Welt, denke ich. Zurück in seiner Versorgerrolle, zurück in der Welt, in der er alles beherrscht und vermag. Sogar Champagner auftreiben, wenn keiner da ist.
»Gut«, sage ich und überlege, wann der Zeitpunkt perfekt für meine eigene Ansage wäre. Ich habe allerdings noch nichts in der Hinterhand. Es gibt noch keine Familie, kein Reiseziel, keine Zusage, kein Vertrag, kein gar nichts. Ich kann nichts gegen seine konkreten Pläne anführen.
Ich gehe in unser Wohnzimmer und lasse mich in den Sessel fallen. In genau den, der seit Kurzem seine Rückkehr dokumentiert. Das fällt mir erst auf, als ich schon sitze. Eigentlich wäre ich gern wieder aufgestanden, aber er kniet schon vor mir und hält mir die Blumen hin.
»Willst du sie nicht nehmen?«
»Sie müssen ins Wasser«, weiche ich aus.
Er legt mir den Strauß in den Schoß und geht hinaus. Ich höre ihn an der eingebauten Schrankwand unter der Treppe hantieren, dann seine Schritte in der Küche. Wenig später ist er mit einer wassergefüllten Vase wieder da.
Immerhin weiß er, wo unsere Vasen stehen, denk