Prolog
Cat, 10 Jahre alt
Endlich Ferien! Noch nie hatte ich es so eilig wie heute, aus unserer Limousine auszusteigen. Ich hasse es, wie Mr. Claus, unser Chauffeur, den riesigen Wagen gemächlich durch die Straßen lenkt. Auf uns wartet der Sommer – warme Tage, an denen ich nichts anderes vorhabe, als an meinem Geheimversteck zu arbeiten, in den Himmel zu starren und vielleicht heimlich mit Grandpa Bambam und seinem Motorrad ein paar Runden zu drehen, wenn Dad im Dienst ist. Außerdem werde ich endlich erfahren, wer in das letzte Haus gegenüber unserem Grundstück einzieht. Dad hat neulich erwähnt, dass er es wieder vermietet hat.
Heute Morgen haben –Becky und ich einen Umzugswagen entdeckt, der direkt vor dem Haus geparkt hat. Angestellte der Umzugsfirma schleppten Möbel und Kartons hinein, und die Fenster wurden geöffnet. Aber das Spannende ist, dass kurz bevor Martha, unsere Haushälterin, uns zum Frühstück gerufen hat, ein Kinderfahrrad und ein Skateboard in der Garage abgestellt wurden – es zieht also eine Familie ein.
»Da läuft Ashley Miller«, bemerkt Becky. Wir schauen durch die Heckscheibe, wie sie an der Landstraße entlanggeht. »Sie hat bestimmt den Schulbus verpasst. Mr. Claus, halten Sie an, wir nehmen sie mit.«
»Nein, ich will schnell nach Hause. Fahren Sie weiter, Mr. Claus«, sage ich bestimmend, weil ich Ashley nicht leiden kann.
»Cat, sei nicht so fies!« Sie weist den Chauffeur an, rechts ranzufahren. Ich rolle mit den Augen und verschränke beleidigt die Arme. Becky weiß genau, wie gemein Ashley zu mir ist.
Mr. Claus steigt aus und bietet Ashley an, sie heimzubringen, was die dumme Gans sofort annimmt. Unsere Mütter sind beste Freundinnen, schon allein deswegen, findet Becky, sollten wir nett zu ihr sein. Aber genau das fällt mir schwer. Meine Schwester ist knapp zwei Jahre älter als ich und tut so, als wäre sie erwachsen. Wir haben beide Moms grüne Augen geerbt, die lange dunkle Lockenmähne, eine schmale Nase und die vollen Lippen, sodass die Leute uns oft für Zwillinge halten. Trotz der Ähnlichkeit könnten wir nicht unterschiedlicher sein. Becky ist das, was meine Eltern als wohlerzogen bezeichnen. Sie ist niemals ungehorsam, lernt fleißig, ist die Beste der Schule und zur Krönung auch noch ein großes Gesangstalent. Kurzum: Sie ist die Vorzeigetochter, auf die Mom und Dad sehr stolz sind.
Geduld ist nicht gerade meine Stärke. Ehrlich gesagt ist es eine Qual. Deshalb wackle ich unruhig mit dem Fuß, bis Ashley endlich eingestiegen und angeschnallt ist.
»Danke«, sagt sie zu Becky und schaut mich spöttisch an. Sie weiß genau, dass sie es meiner Schwester zu verdanken hat, jetzt in unserer Limousine zu sitzen.
Als Mr. Claus losfährt, grinst er mich durch den Rückspiegel an, weil er es gut findet, dass Becky sich diesmal durchgesetzt hat. Für seinen Geschmack kommt das viel zu selten vor. Mr. Claus ist ein älterer Mann mit weißem Haar, Vollbart und klaren grauen Augen. Seit ich ihn ken