Tara kam mit Mitte 30 zu mir. Ihren eigenen Schilderungen zufolge hatte sie die vergangenen zehn Jahre damit verbracht, ihre obsessiven und, wie sie es formulierte, unaufhaltsamen Gedanken zu bezwingen und zu unterdrücken. So lange hatte sie sich schon mit Selbsthilfe beschäftigt, ließ nichts unversucht, um ihren Kopf zum Schweigen zu bringen und sich von ihm vor allem nicht mehr sagen zu lassen, sie sei nichts wert. In erster Linie hatte sie Methoden des positiven Denkens ausprobiert, Affirmationen und Dankbarkeitsübungen. Sie hatte hart daran gearbeitet, andere Gedanken zu hören. Inzwischen war sie mit allen Selbsthilfewassern gewaschen, und doch saß sie da in meiner Praxis, rang immer noch mit dem unaufhörlichen innerlichen Geschnatter, fühlte sich hoffnungslos und geschlagen, machtlos über die eigenen Gedanken und machtlos darüber, was sie ihr antaten.
Mir sind Hunderte von Taras begegnet Menschen, die psychologische Ratgeber und Selbsthilfestrategien enttäuscht zurückgelassen haben. Meine Praxis ist voll von Leuten, die durch Selbsthilfetechniken und deren immer neue Versprechungen auf ein neues Leben keine dauerhafte Befreiung von ihrem exzessiven Denken finden konnten. Wenn auch Sie schon alles Mögliche probiert haben, verzweifeln Sie nicht. Es ist nicht Ihre Schuld, dass Sie noch nicht gefunden haben, was Sie brauchen. Den Inhalt unserer Gedanken zu verändern ist allenfalls eine vorübergehende Lösung, ein schicker Hut auf einem ungewaschenen Kopf. Es funktioniert bis zu einem gewissen Grad, wenn gerade alles glatt läuft und in unserem Leben Angenehmes passiert. Aber wenn es hart auf hart kommt und das Leben die Samthandschuhe auszieht was es früher oder später immer tut , haben die positiven Gedanken keinen Bestand. Die Selbsthilfestrategien funktionieren nicht, und wir fallen auf unsere alten Glaubenssätze und Denkmuster zurück. Positives Denken kann hilfreich sein, und es fühlt sich gut an, aber es greift das wahre Problem nicht an; es ist nicht stark genug, um wirklich die Überzeugungen zu verändern, die unsere negativen Gedanken nähren. Letztlich ist es nur ein Pflaster auf einer viel tiefer liegenden und stärkeren Verletzung.
Positives Denken ist nicht bloß aufgrund seiner Unzuverlässigkeit eine dürftige Lösung. Vor allen Dingen fällt es durch, weil es sich auf das falsche Problem richtet. Wenn die Strategie lautet, negative oder unerwünschte Gedanken mit positiven zu ersetzen, verlassen wir uns auf fehlgeleitete Grundsätze und nehmen Folgendes an: Wir können und sollten in der Lage sein, unsere Gedanken zu kontrollieren; die Aussagen unserer Gedanken sind bedeutsam; unsere Gedanken haben die Macht, uns zu beherrschen; und, zum Abschluss, wir müssen unsere Gedanken unter Kontrolle bekommen, damit es uns gut gehen kann. Nichts davon stimmt. Positives Denken behauptet (fälschlicherweise), unser Wohlergehen hänge davon ab, was unsere Gedanken in jedem beliebigen Moment sagen, und somit liege der Schlüssel zu unserem Glück darin, unsere Gedanken erfolgreich zu managen. Innerhalb dieses Systems bleiben wir dem Inhalt unserer Gedanken ausgeliefert, bleiben abhängig von etwas, das außerhalb unseres Einflusses liegt. Positives Denken beteuert uns zu stärken, entkräftet uns letzten Endes aber nur.
Die Selbsthilfe verkauft eine Art kognitive Munition, ein Arsenal, mit dem wir den Krieg gegen unsere unerwünschten Gedanken gewinnen sollen. Wenn Sie aber nicht mehr von Ihren Gedanken kontrolliert werden möchten, dann müssen Sie aufhören, Ihre Gedanken kontrollieren zu wollen hören Sie auf, sie zu bezwingen. Was uns von negativem Denken befreit, ist kein Sieg über unsere Gedanken (immer und immer wieder, jede Minute aufs Neue, Tag für T