: Brendan Simms
: Die Briten und Europa Tausend Jahre Konflikt und Kooperation
: Deutsche Verlags-Anstalt
: 9783641244750
: 1
: CHF 20.30
:
: Geschichte
: German
: 400
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Briten und wir: Warum der Brexit nicht das Ende der britisch-europäischen Partnerschaft sein wird
Europa hat in der Geschichte Großbritanniens stets eine wichtige Rolle gespielt. Seit Jahrhunderten mischen sich die Briten mit Lust in die Geschicke der europäischen Nachbarstaaten ein - und werden wiederum von den Ereignissen dort beeinflusst. In seiner fulminanten Geschichte der tausendjährigen, turbulenten Beziehung zwischen den Briten und Europa zeigt Brendan Simms ebenso faktenreich wie unterhaltsam, warum man die eine Seite des Ärmelkanals nicht ohne die andere denken kann. Sein Buch bündelt die Glanzlichter und die Tiefpunkte der britisch-europäischen Geschichte vom Mittelalter bis zum Brexit und ist ein eindrucksvolles Plädoyer für eine enge Partnerschaft, auch über das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU hinaus.

Brendan Simms, geboren 1967, ist Professor für die Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Cambridge. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geopolitik Europas und die Geschichte Deutschlands im europäischen Kontext. Er publiziert in Zeitschriften und Zeitungen zu aktuellen geo- und europapolitischen Themen und ist Autor zahlreicher Bücher, die breite Beachtung fanden, darunter »Die Briten und Europa. Tausend Jahre Konflikt und Kooperation« (2018) und »Hitler. Eine globale Biographie« (2020).

1


Die Bande der »Christenheit«

Europa und die Schaffung Englands


Um die Christenheit vor dem vorsätzlichen, bösen Ansturm der Ungläubigen zu retten, die sie zu vernichten und in ihren verschiedenen Gebieten auszulöschen versuchen; und damit der König [von Frankreich], sein Widersacher von England und die Fürsten beider Seiten in der Lage sind, sich um einen guten Frieden und wahre Einigkeit in unserer Heiligen Mutter Kirche, die so lange gespalten und im Schisma war, bemühen …

Französisches Friedensangebot an England, 13961

Hält man sich die großen, unschätzbaren und beinahe unendlichen Kosten und Ausgaben sowohl von Gütern als auch von Blut, die [England] um [Frankreichs] willen getragen und erlitten hat, vor Augen, wäre sein schändlicher Verlust, den Gott auf ewig verhüten möge, nicht nur ein unwiederbringlicher Schaden für die gemeinsame Sache, sondern auch eine immerwährende Scharte und ständige Verunglimpfung des Ruhms und Rufs dieses edlen Reichs.

Edmund Beaufort,
Befehlshaber der englischen Truppen in Frankreich, 14492

England war schon lange, bevor es beides gab, mit Europa verbunden. Über Jahrmillionen hinweg ganz physisch. Die Landmasse, die einst England bilden sollte, hing mit dem übrigen Kontinent zusammen. Dann bedeckte Eis die Landbrücke, und als es abtaute, entstand schließlich der Ärmelkanal. Streng genommen, gehörte England geographisch weiterhin zum europäischen Kontinent – dort findet man es in jedem Atlas –, und politisch war es immer ein Teil des größeren Ganzen. Im 1. Jahrhundert wurde das Gebiet von den Römern besetzt, die es zu einer Provinz eines Reichs machten, das den gesamten Kontinent umfasste und darüber hinaus nach Asien und Afrika hineinreichte. Nach dem Rückzug der Römer im frühen 5. Jahrhundert wurde England von norddeutschen Stämmen kolonisiert. Diese Angelsachsen, wie sie zur Unterscheidung von ihren deutschen Verwandten auf dem Kontinent bezeichnet wurden,3 schufen die Königreiche Northumbria, Mercia, Wessex, East Anglia, Essex, Kent und Sussex, die durch ihre Christianisierung im 7. Jahrhundert zum Teil einer umfassenderen europäischen Einheit wurden, der westlichen »Christenheit«, die dem Papst zur Treue verpflichtet war. Dabei blieb es für die nächsten rund neunhundert Jahre.4 Die Bewohner dieser Königreiche sprachen »Englisch« und wurden als »gens Anglorum« bezeichnet.5 Sie standen in regem Austausch mit dem Kontinent, insbesondere mit den Gebieten, die zu Deutschland werden sollten. Dank des fruchtbaren Bodens, ihres Fleißes und der Nähe zu europäischen Handelsrouten gelangten sie im Vergleich zum übrigen Europa zu außerordentlichem Reichtum.6 Ihr Wohlstand machte sie immer wieder zu einem Angriffsziel; Isolation aber war für diese frühen Engländer trotz ihrer Insellage keine Option. Die über Jahre hinweg erfolgenden Wikingerüberfälle und die anschließende Landnahme zeigten, dass Europa jedenfalls, selbst wenn die Engländer ihrerseits nicht am Kontinent interessiert gewesen sein sollten, durchaus Interesse an ihnen hatte.

Die Vereinigung der englischen Königreiche unter Alfred dem Großen und seinen Nachfolgern, die bis zum Jahr 1000 weitgehend abgeschlossen war, geschah in erster Linie in Reaktion auf diesen äußeren Druck.7 »England«