: Ulrich Tadday
: MUSIK-KONZEPTE 194: Chaya Czernowin
: edition text + kritik
: 9783967073959
: 1
: CHF 25.40
:
: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 119
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die israelische Komponistin Chaya Czernowin (*1957) genießt international ein hohes Renommee. Auch als Lehrerin ist sie seit vielen Jahren sehr gefragt - sei es als Professorin für Komposition an der Harvard University oder als Dozentin bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt. Chaya Czernowins kompositorisches ?uvre umfasst Opern, Orchester- und Kammermusik, Musik für Tasteninstrumente und Vokalmusik, soweit man diese Gattungsbegriffe weit genug fasst. Czernowin ist eine Suchende, eine Grenzgängerin, durch deren Kompositionen wir neue Klangerfahrungen machen, deren Musik uns innere und äußere Welten erschließt.

Ulrich Tadday, geb. 1963, Studium der Musikpädagogik und Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Dortmund und Bochum; Staatsexamina, Promotion und Habilitation; seit 2002 Professor für Historische Musikwissenschaft an der Universität Bremen; seit 2004 Herausgeber der Neuen Folge der 'Musik-Konzepte'.

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Über Komposition und Regie


Im Gespräch mit Chaya Czernowin

Der Ausgangspunkt für dieses Gespräch ist meine Arbeit mit Chaya Czernowin an der Neufassung vonZaide/Adama von Wolfgang Amadeus Mozart und Chaya Czernowin für das Theater Freiburg im Juni 2017.1Zaide/Adama wurde als Auftragswerk für die Salzburger Festspiele 2006 uraufgeführt. Mozarts im Orient verortetes Singspiel-Fragment steht im Dialog mit Chaya Czernowins zeitgenössischem Opernfragment um die Annäherung eines palästinensisch-israelischen Liebespaares. Beide Stücke sind für Solisten und Orchester, ohne Chöre geschrieben. Chaya Czernowin hat ihr FragmentAdama in MozartsZaide-Fragment montiert. An den Nahtstellen überlappen sich die Fragmente, und beide Klangwelten schieben sich ineinander. Diese Momente haben mich beim ersten Lesen besonders interessiert. Die Gleichzeitigkeit von zwei Kompositionen aus zwei verschiedenen Jahrhunderten, von einem Mann und einer Frau mit sehr unterschiedlichen historischen und sozialen Hintergründen. Das beschreibt den Inhalt beider Stücke: Das Aufeinandertreffen zweier sich fremder, verfeindeter Kulturen, in dem sich Menschen der jeweiligen Kultur unter sehr unterschiedlichen Umständen, freiwillig oder mit Zwang und Gewalt, begegnen. Jeder Versuch der Annäherung scheitert an den Konventionen und Vorurteilen. Beide Fragmente sind nach wie vor aktuell und spiegeln in vielerlei Hinsicht gesellschaftliche Dynamiken von Gewalt gegen das vermeintlich Fremde und Andersartige. Im Verlauf der Beschäftigung mit der Partitur wurde die nicht vorhandene Öffentlichkeit, die Gesellschaft, die Stimme der Straße für mich immer notwendiger, um die im Stück verhandelten Konflikte und die daraus entstehende Gewalt, die ausschließlich in inneren Dialogen und Monologen verhandelt werden, zu veräußerlichen. Mich interessierte die Frage, wie sieht die Gesellschaft aus, auf die die Figuren beider Stücke treffen würden? Wie reagiert diese Gesellschaft, wenn die bisher inneren Schreie der beiden Hauptcharaktere Mann und Frau inAdama für sie hörbar werden? Die Fragen rückten in das Zentrum meines Interesses und damit die Idee, beiden Fragmenten eine öffentliche Stimme in Form des Chores gegenüberzusetzen.

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Abbildung 1: Wolfgang Amadeus Mozart/Chaya Czernowin,Zaide/Adama, Theater Freiburg 2017, Foto: © 2021 Ric Schachtebeck

Das hier abgedruckte Gespräch fand im Lockdown 2020 online zwischen Boston und Berlin auf Englisch und Deutsch statt. Chaya Czernowin arbeitete zu dem Zeitpunkt an »The Fabrication of Light«, einer Auftragskomposition für die Musikfabrik NRW und das Festival Acht Brücken, die im Oktober 2020 in Köln uraufgeführt wurde.

Ludger Engels: Wenn ich mich an den Beginn unserer gemeinsamen Arbeit erinnere, dann fällt mir unser erstes Gespräch i