: Uwe Krähnke
: Georg Simmel
: Herbert von Halem Verlag
: 9783744503105
: 1
: CHF 12.50
:
: Soziologie
: German
: 136
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Georg Simmel nimmt in Bezug auf die Wissenssoziologie den Status eines »Wegbereiters« ein. Er formulierte soziologische, erkenntnistheoretische und kulturphilosophische Problemstellungen, die (posthum) in die sich formierende Wissenssoziologie hineinwirkten. Die wissenssoziologischen Pionierleistungen Simmels sind vielfältig. So stehen im Zentrum seiner relationistischen Sozialtheorie die Wechselwirkungen zwischen den Individuen und der dynamische Vergesellschaftungsprozess. Weiterhin insistiert Simmel darauf, dass Soziologinnen und Soziologen auf eine bereits von den Menschen selbst gedeutete soziale Welt stoßen. Seine diesbezüglichen Überlegungen zu den soziologischen Apriori stellen einen Versuch dar, die kantianistische Epistemologie sozialkonstruktivistisch umzuformulieren. Jenseits dieser eher grundlagentheoretischen Innovationen finden sich in Simmels unzähligen Essays dichte Beschreibung von Alltagserscheinungen des modernen Lebens. In seinen Abhandlungen über den Fremden, den Raum, das Geld, die Großstadt oder über das ethische Problem der Freiheit - um hier nur eine kleine Auswahl zu nennen - offenbaren sich Simmels beeindruckende phänomenologische Beobachtungsgabe und analytisch präzise Genauigkeit. Zugleich schält sich in den Essays eine bis heute noch aktuelle kulturelle Zeitdiagnose heraus. In diesem Band werden die Konturen einer Wissenssoziologie bei Simmel aufgezeigt und in Beziehung zum biografischen Kontext und wissenschaftlichen Habitus dieses Klassikers gesetzt.

Uwe Krähnke, Jg. 1967; studierte Sozialwissenschaften an der HU Berlin. Er promovierte an der TU Chemnitz und habilitierte an der HU Berlin. Seit 2018 ist er Professor für Qualitative Forschungsmethoden an der Medical School Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Moderne als dynamisierte Gesellschaft; Lebensführung in gierigen Institutionen und psychische Belastungen in der Arbeitswelt

II. Biografische Stationen eines prominenten Außenseiters im akademischen Milieu des Wilhelminismus


Simmel wurde am 1. März 1858 im damals belebten Zentrum Berlins, Leipziger Straße, Ecke Friedrichstraße geboren. Er war das jüngste von sieben Kindern des Kaufmanns Eduard Maria Simmel und seiner Ehefrau Flora (geb. Bodstein). Die Eltern waren zwar jüdischer Abstammung, jedoch konvertierten sie, sodass Simmel kurz nach seiner Geburt evangelisch getauft wurde. Als 16 Jahre später sein Vater starb, übernahm der Nennonkel Julius Friedländer die Vormundschaft für Simmel. Der Vormund war Buch- und Musikalienhändler und durch die Erfindung der Notendruck-Schnellpresse vermögend geworden. Somit konnte er Simmels akademische Laufbahn dauerhaft finanziell unterstützen.

Nach dem Abitur studierte Simmel ab 1876 an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, zunächst vor allem Geschichtswissenschaft u. a. bei Theodor Mommsen und Kunstgeschichte bei Herman Grimm, wandte sich jedoch zunehmend der Philosophie und Völkerpsychologie zu – vertreten durch Moritz Lazarus und Eduard Zeller – sowie der Kunstgeschichte und dem Altitalienischen. Unter Simmels Lehrern hatte vor allem Grimm mit seinen kunsthistorischen Betrachtungen über Persönlichkeiten wie Goethe und Michelangelo eine große Bedeutung für ihn. Zudem ist der Einfluss von Lazarus auf Simmels spätere soziologische und kulturphilosophische Überlegungen unübersehbar (KÖHNKE 1996: 41f.). 1881 wurde Simmel an der Berliner Universität promoviert. An derselben Universität habilitierte er sich vier Jahre später und nahm anschließend eine Lehrtätigkeit als Privatdozent auf. Er lehrte zunächst nur Philosophie, beschäftigte sich aber ab 1887 verstärkt auch mit soziologischen und sozialwissenschaftlichen Themen. Von 1893 bis 1912