II. Biografische Stationen eines prominenten Außenseiters im akademischen Milieu des Wilhelminismus
Simmel wurde am 1. März 1858 im damals belebten Zentrum Berlins, Leipziger Straße, Ecke Friedrichstraße geboren. Er war das jüngste von sieben Kindern des Kaufmanns Eduard Maria Simmel und seiner Ehefrau Flora (geb. Bodstein). Die Eltern waren zwar jüdischer Abstammung, jedoch konvertierten sie, sodass Simmel kurz nach seiner Geburt evangelisch getauft wurde. Als 16 Jahre später sein Vater starb, übernahm der Nennonkel Julius Friedländer die Vormundschaft für Simmel. Der Vormund war Buch- und Musikalienhändler und durch die Erfindung der Notendruck-Schnellpresse vermögend geworden. Somit konnte er Simmels akademische Laufbahn dauerhaft finanziell unterstützen.
Nach dem Abitur studierte Simmel ab 1876 an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, zunächst vor allem Geschichtswissenschaft u. a. bei Theodor Mommsen und Kunstgeschichte bei Herman Grimm, wandte sich jedoch zunehmend der Philosophie und Völkerpsychologie zu – vertreten durch Moritz Lazarus und Eduard Zeller – sowie der Kunstgeschichte und dem Altitalienischen. Unter Simmels Lehrern hatte vor allem Grimm mit seinen kunsthistorischen Betrachtungen über Persönlichkeiten wie Goethe und Michelangelo eine große Bedeutung für ihn. Zudem ist der Einfluss von Lazarus auf Simmels spätere soziologische und kulturphilosophische Überlegungen unübersehbar (KÖHNKE 1996: 41f.). 1881 wurde Simmel an der Berliner Universität promoviert. An derselben Universität habilitierte er sich vier Jahre später und nahm anschließend eine Lehrtätigkeit als Privatdozent auf. Er lehrte zunächst nur Philosophie, beschäftigte sich aber ab 1887 verstärkt auch mit soziologischen und sozialwissenschaftlichen Themen. Von 1893 bis 1912