Einleitung
»The concept of action can be seen as Ariadne’s thread which weaves the work of Anselm Strauss together.«
(Baszanger 1998: 353)
Das fortwährende Handeln, nicht die isolierte Handlung, das ist in der Tat das zentrale Movens der Soziologie, wie sie der erst 1996 verstorbene amerikanische Soziologe Anselm L. Strauss verstanden und wesentlich mit geprägt hat. Die Bedeutung der von Strauss entwickelten soziologischen Perspektive liegt jedoch nicht in der Fokussierung auf das Handeln. Sie liegt vielmehr in der integrativen Betrachtung von Handeln und Struktur in einer pragmatistischinteraktionistischen Theorie des Handelns. Diese überwindet die von Herbert Blumer geprägte Engführung des symbolischen Interaktionismus auf direkte Interaktion und versöhnt dessen Ansatz mit dem gesellschaftstheoretischen Kern der frühen Chicagoer Soziologie und der für sie prägenden pragmatistischen Sozialphilosophie.
Die immense Bedeutung von Strauss als Theoretiker und Methodiker ist unbestritten. Er hat als empirischer Forscher wie als akademischer Lehrer eine ganze Generation nicht nur interaktionistischer Sozialwissenschaftlerinnen1 geprägt. Auch ist sein umfassendes Werk breit publiziert und teilweise in mehrere Sprachen übersetzt. Strauss ist gerade für deutsche akademische Lesegewohnheiten keine leichte Lektüre – gerade weil er so »leicht« daherkommt. In diesem Punkt ist er Everett C. Hughes und Erving Goffman nicht unähnlich, entwickelt Strauss doch viele seiner theoretischen Ideen und Konzepte erzählerisch und anhand von Beispielen, während systematische und definitorisch strengere Textformate bei ihm eher selten sind. Viele theoretische Konzepte werden einzeln in Aufsätzen mit Bezug zu empirischen Projekten eingeführt, und erst wenige Jahre vor seinem Tod hat Strauss es unternommen, mitContinual Permutations of Action (1993) einen kohärenten Gesamtentwurf zu schaffen.
Was allerdings fehlt, ist ein Buch, das Strauss’ Arbeiten als Gesamtwerk vorstellt und in seine zentralen theoretischen Gedanken einführt. Der vorliegende Text will diese Lücke schließen, die umso gravierender ist, weil Strauss in der deutschsprachigen Soziologie bereits