: Thomas Döbler, Christian Pentzold, Christian Katzenbach
: Räume digitaler Kommunikation Lokalität - Imagination - Virtualisierung
: Herbert von Halem Verlag
: 9783869625546
: 1
: CHF 26.40
:
: Medien, Kommunikation
: German
: 348
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Medien und medienvermittelte Kommunikation beinhalten schon immer das Potenzial, die Bezüge zu Raum und zwischen Räumen auf der Mikro- wie auf der Makroebene zu beeinflussen. Mit den vernetzten digitalen Medien scheinen nun noch neue Qualitäten nicht nur hinsichtlich der Gestaltung, der Wahrnehmung und des Erlebens von Raum aufzutreten. Doch welche Veränderungen individuelle oder gesellschaftliche Raummuster durch und in Bezug auf die digitalen Medien erfahren und ob und inwieweit die digital vermittelte Kommunikation überhaupt noch an diese Muster gebunden ist, bleibt derzeit theoretisch und empirisch noch recht unspezifisch bearbeitet. Unzweifelhaft scheint heute jedoch, dass die neuen digitalen Medien den Raum nicht verschwinden oder unbedeutend werden lassen, sondern es deutet umgekehrt vieles darauf hin, dass damit Prozesse der Generierung, Entfaltung und Ausweitung von Räumen stattfinden. Ziel des Bandes ist es, einerseits einen Beitrag zur begrifflichen und theoretischen Schärfung und Vertiefung von Räumen digitaler Kommunikation, den Kommunikationsprozessen in digital entfalteten und dynamisch weiter entfaltbaren Raumstrukturen, der aufeinander bezogenen wechselseitigen Bedingtheit von räumlicher Struktur und kommunikativer Praxis zu leisten. Andererseits sollen mittels empirischer Arbeiten und Fallstudien Prozesse z.B. mit ihren funktionalen, symbolischen oder inhaltlichen Ausgestaltungen auf digital vermittelte Räume - seien es private oder öffentliche, lokale oder transnationale, temporäre oder zeitlich stabile - sowie die Kommunikationspraxis beeinflussende Strukturen aufgezeigt werden.

Prof. Dr. Thomas Döbler ist seit 2007 Professor für Medienmanagement an der Hochschule Macromedia Stuttgart. Stationen davor waren die Leitungen der IT- und Medienforschung an der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) und der Forschungsstelle für Medienwirtschaft und Kommunikationsforschung an der Universität Hohenheim. Seine Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle von Mediensoziologie und -ökonomie und beziehen sich vor allem auf Anwendungen und Akzeptanz von Informations- und Kommunikationstechnologien und deren sozialen und ökonomischen Konsequenzen.

HUBERT KNOBLAUCH / MARTINA LÖW


Digitale Mediatisierung und die Re-Figuration der Gesellschaft1


1.Einführung

Es ist kaum zu übersehen, dass sich die Zeitordnung der gegenwärtigen Gesellschaft ändert und wir verschiedene Formen der Beschleunigung des gesellschaftlichen Lebens erfahren (ROSA 2015). So lässt sich z. B. zeigen, dass die Menschen immer schneller und mehr sprechen, weniger schlafen und sich schneller an neue Technologien anpassen (ERIKSEN 2001). Laut Rosa (2015) haben die zeitlichen Strukturen insbesondere durch moderne gesetzliche Regelungen, die Einführung der Sozialfürsorge mit der damit entstehenden Bürokratie, formalisierte Bildungswege sowie Versicherungsund Rentensysteme eine massive Dynamisierung erfahren. Die Reduzierung sozialer Wohlfahrtssysteme und der Ausbreitung postfordistischer Arbeitsorganisation etwa zählen zu den vielen Faktoren, die zu neuen Zeitstrukturen und zur abnehmenden Bedeutung linearerer Geschichtsund Fortschrittskonzeptionen führen.

So deutlich die zeitliche Beschleunigung herausgestellt wurde, so haben doch die räumlichen Veränderungen nicht die entsprechende Aufmerksamkeit erfahren, auch wenn etwa die Komplexitätssteigerungen der Globalisierung sehr beachtet wurden. Zurückzuführen ist die geringere Beachtung der räumlichen Veränderungen auch darauf, dass die Entwicklung einer Raumsoziologie und einer Sozialtheorie des Raumes immer noch zu wünschen übrig lässt (FULLER/LÖW 2017). Obwohl Simmel (1992 [1903]) sowie Durkheim (1965 [1912]) den Raum bereits als soziales Phänomen gefasst haben (ZIELENIEC 2007), wandten sich in der Folge nur wenige Autoren der Entwicklung einer Raumsoziologie zu. Hervorzuheben ist sicherlich Lefebvre (2000 [1974]) oder Jean Rémy (1975), die eine bedeutende Rolle bei der Bearbeitung des Raums als wichtige Basis für das Verständnis von Kapitalismus und Gesellschaft spielten.

Gerade einmal vor rund fünfundzwanzig Jahren setzte dann das ein, was wir als ›Spatial Turn‹ (SOJA 1989; LÖW 2001) oder ›Topografisch‹ oder ›Topologisch Turn‹ bezeichnen (WEIGEL 2002; SCHLÖGEL 2003; DÖRING/THIELMANN 2008). Raum wird seither nicht mehr nur als bloßes Umfeld, begrenzte Territorien oder allein durch den Code von ›hier‹ und ›dort‹ definiert; vielmehr wird Raum nun als eine zentrale soziale Kategorie betrachtet, die auf sozialer Interaktion, Interdependenz und Relationen basiert.

Inspiriert von dieser Raum-Wende lässt sich mittlerweile ein dezidiertes Interesse innerhalb der Sozialforschung erkennen, die gesellschaftliche Dynamik im Hinblick auf Raum und Raumordnung umfassender und präziser zu verstehen. Doch trotz einer Zunahme empirischer Forschung wird Raum in der soziologischen Theorie bisher nur am Rande erörtert (FREHSE 2013; L