Kapitel 1
Das lange Warten auf eine neue Generation: Der Weg auf die Enterprise-D
Am Anfang war das Problem
Wenn die Kinofilme eine Erkenntnis ganz sicher mit sich gebracht hatten, dann die, dass die Strahlkraft vonStar Trek noch immer vorhanden war. Die Wiederholungen liefen weiterhin erfolgreich, die Fans gierten nach neuen Abenteuern, und die Fanszene wurde mit jeder Convention nur noch aktiver und lauter. Und was passiert, wenn Unternehmer einen Markt für etwas wittern? Genau, sie gehen auf die Suche nach einem Produkt, das den Rahm abschöpft. Doch wie sollte man vorgehen?
Zunächst einmal stand fest:Star Trek ohne Kirk, Spock, McCoy und Co. ist absolut undenkbar! Was damals für viele Fans nämlich längst keine steile These, sondern vielmehr tiefste Überzeugung darstellte, begleitete den Start vonStar Trek: The Next Generation von den frühesten Ankündigungen bis hin zur Ausstrahlung der ersten Staffel. Und wen wundert das? Die aus William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, Walter Koenig, George Takei und Nichelle Nichols bestehende Crew bildet das Fundament dessen, was wir noch heute alsStar Trek bezeichnen. Damals – und hier reden wir über die Mitte der 80er-Jahre – waren es immerhin auch schon gut zwanzig Jahre, in denen die Fans weltweit mit ihren Helden drei Staffeln, ein Zeichentrick-Spin-Off und vier Kinofilme durchlitten hatten. Wer wollte ihnen ihre Gefühle verübeln?
Da eine Neubesetzung der ikonischen Rollen aber noch abwegiger erschien (was J.J. Abrams viele Jahre später jedoch auch nicht mehr jucken sollte …), schluckte man die Kröte, die Paramount-Boss Mel Harris bei jeder Gelegenheit in schönsten Worten beschrieb. Allerdings offenbarten seine Erklärungsversuche auch, wie unsicher man sich lange Zeit über den Zeitrahmen der Originalserie und ihres Nachfolgers war. So ließ er in einem frühen Statement verlauten, dass die alten Helden zweihundert Jahre in der Zukunft ihren Dienst verrichtet hätten und die neue Serie ein Jahrhundert nach Kirk und Spock spielen würde. Eine kurze Rechenaufgabe bringt damit die Abenteuer der Original-Enterprise ins Jahr 2166, die von Picard und Co ins Jahr 2266. MitStar Trek IV wurde an dieser Front endlich Abhilfe geschaffen. Die Abenteuer der Ur-Enterprise spielten in der zweiten Hälfte des 23. Jahrhunderts. Die der Enterprise-D würden schließlich 2364 beginnen. Doch so weit sind wir noch lange nicht.
Basisarbeiten
Zunächst wurde eine weitere wichtige Entscheidung getroffen, die sich auf lange Sicht als Jackpot herausstellen sollte. Man verzichtete – anders als in den 70er-Jahren – auf die große Vision eines eigenen Networks für die Ausstrahlung der Show. Man ging vielmehr den umgekehrten Weg: Die eigentlich für Gameshows und Kindersendungen genutzte Syndication-Schiene würde die Serie in alle Märkte tragen und den Bossen satte Einnahmen bescheren. So lautete zumindest der geniale wie ambitionierte Plan. Um das Ziel zu erreichen, setzte man alles auf eine Karte und verzichtete für die erste Staffel der neuen Serie vollständig auf eine finanzielle Gegenleistung in Form einer Ausstrahlungsgebühr. Dafür ließ man sich aber in einem Anfall von Größenwahn – im Rückblick von großer Weisheit – die Hälfte der Werbezeit überschreiben. Dieser Stunt hätte böse ins Auge gehen können. Da die Serie jedoch direkt abhob und zum Höhenflug ansetzte, rechnete sich das drastische Vorgehen schon im ersten Jahr. Allein durch Werbung sollen die sieben Staffeln der Serie in der Erstausstrahlung über 500 Millionen Dollar eingebracht haben. Die reinen Produktionskosten lagen dem Vernehmen nach etwa bei der Hälfte. Was für ein Deal! Nun mussten nur noch Roddenberry und sein Team liefern …
Großer Vogel
Den Fans war es natürlich wichtig, mehr über die kreativen Köpfe hinter der neuen Serie zu erfahren. Ihr Fokus galt dabei fraglos einem Mann: Gene Roddenberry. Paramount war dieser Umstand bewusst. Daher stand eine Beteiligung des Großen Vogels der Galaxis außer Frage.
Verwunderlich war eher, dass Roddenberry selbst nach all den Erlebnissen rund um die drei Staffeln der Originalserie und die Filme sowie dem gescheiterten Versuch mitPhase II bereit war, ein neuesStar Trek auf den Weg zu bringen. Vielleicht war es aber auch alternativlos. Roddenberry erzählte einmal, wie schwierig die 70er-Jahre für ihn waren. Man sah ihn als den Mann, der einen teuren Flop verantwortet hatte. Keines seiner neuen Projekte war danach wirklich von Erfolg gekrönt gewesen. Auf der anderen Seite hatte ihn die Arbeit an der Ur-Serie auch stark in Mitleidenschaft gezogen, gesundheitlich ebenso wie privat. Am Ende überwog jedoch die Verlockung dieser zweiten Chance. Wie seine Witwe berichtete, hatte Roddenberry zumindest das falsche Spiel mit dem breiten Lächeln seitens Harris und Paramount von Beginn an durchschaut.
Die Idee, eine neue Crew in die Abenteuer zu schicken, gefiel Roddenberry deutlich besser als jede Form von Neuauflage. Er wollte frische Ideen, mit denen die Autoren arbeiten sollten, und so wenig Anlehnungspunkte an die alte Serie wie nur möglich. Dennoch war ihm zeitgleich auch das Risiko bewusst, den Fans die alten Helden wegzunehmen.
Roddenberrys größtes Glück war vermutlich, dass Bob Justman noch eine Rechnung offen hatte. Als er 1968 ging, sah manStar Trek als Fehlschlag, und er selbst bezeichnete die Serie als Desaster. Eine zweite Chance, um endlich das Gegenteil zu beweisen, war einfach zu verlockend.
Nun brauchte es jedoch erst einmal Inhalte. Roddenberry hatte Bob Justman an seiner Seite, der Rückhalt des Studios war ihm sicher, und er konnte loslegen. Es fehlten nur noch etwas weniger als 98 Prozent seiner neuen Serie. Welche Helden würde man ins 24. Jahrhundert schicken? Wie würde die Technik dieser Zeit aussehen? Hinzu kamen die Probleme seines eigenen Jahrhunderts. Wie würde es gelingen, innerhalb des Budgets zu bleiben und dennoch eine moderne Show auf die Beine zu stellen? Wer sollte die Sets und die Props bauen? Ganz am Ende dieser Liste stand dann aber noch die eigentlich zentrale Frage: Wie übertrumpfte man einen zumindest von den Fans heißgeliebten Klassiker?
Als man also begann, die Bibel für die Serie zu erarbeiten, hatte das neue Kind noch nicht einmal einen Namen. Am 24. Oktober 1986 schlug Justman in einer Notiz an Roddenberry 44 (!) Serientitel vor. Es dürfte niemanden überraschen, dassStar Trek: The Next Generation nicht Teil dieser Zusammenstellung war, oder?The New Generation undThe Second Generation gingen allerdings schon in diese Richtung. Eine Woche später war er so frustriert, dass er schlichtStar Trek als Titel vorschlug und darauf verwies, dass man den offensichtlichen Unterschied schon bemerken würde. Auch an dieser Stelle denken wir an J.J. Abrams, der exakt dieser Logik viele Jahre später folgen sollte.
Auf der ersten Version der Serienbibel stand am 26. November dann immerhin schon der Spitzname der Show,ST: TNG. Allerdings lieferte Justman im Dezember direkt neunzehn weitere Titelvorschläge nach. Es lag also noch viel Arbeit vor Roddenberry und seinen Mitstreitern, um eines der Familienjuwelen von Paramount, wie Mel Harris die Serie einmal nannte, zu den Fans zu bringen …
Die neue Bibel
Wichtige Player des ersten Jahres und somit insbesondere im Entstehen der Serie