: Margot Neger
: Epistolare Narrationen Studien zur Erzähltechnik des jüngeren Plinius
: Narr Francke Attempto
: 9783823302827
: 1
: CHF 66,20
:
: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
: German
: 444
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der jüngere Plinius erweist sich nicht nur in seinen berühmten Briefen über den Vesuv-Ausbruch, verschiedene Gespensteranekdoten oder spielende Delphine als Meister der Erzählkunst. Auch zahlreiche weitere Einzelbriefe sowie Briefpaare und Briefzyklen sind als kunstvolle Erzählungen gestaltet. Die vorliegende Studie bietet erstmals eine systematische Analyse der narrativen Techniken des jüngeren Plinius und den damit verbundenen Strategien der Lektüresteuerung. Neben der Frage, wie antike Autoren und Leser das narrative Potenzial von Briefen einschätzten wird auch untersucht, inwieweit sich die Ansätze der modernen Narratologie auf eine antike Briefsammlung anwenden lassen. Im Zentrum der Analyse stehen insbesondere Briefe und Briefzyklen über Plinius als Anwalt bzw. erfolgreicher Redner, als prinzipientreuer Senator sowie schließlich als Freizeitdichter. Auch die Erzählstrategien des Epistolographen in Briefen über Mirabilien und Naturphänomene werden untersucht.

PD Dr. Margot Neger ist Assistant Professor im Fach Latein am Department of Classics and Philosophy der University of Cyprus.

1Narrare in der antiken Epistolographie –epistolary narratives


In seiner Studie zur antiken Brieftopik hat Thraede (1970) herausgearbeitet,1 dass Autoren wie Cicero mindestens zwei Funktionen privater Korrespondenz unterscheiden: Neben der verbreiteten Vorstellung, dass Briefe ein Gespräch ersetzen sollen2 und demnach demloqui bzw.iocari zwischen den räumlich getrennten Partnern dienen, spielt natürlich auch das Übermitteln von Nachrichten bzw. Erzählen von Ereignissen (narrare) eine bedeutende Rolle.3 So beklagt Cicero in einem Brief an Atticus etwa(5,5,1), dass er keinen Stoff zum Schreiben habe, da er weder Aufträge für seinen Adressaten habe (nec quod mandem habeo), noch zum Scherzen aufgelegt sei (nec iocandi locus est), noch irgendwelche Neuigkeiten berichten könne (nec, quod narrem – novi enim nihil est).4 In einem Brief an Curio wiederum (Fam.2,4,1) stellt Cicero fest, dass es viele Arten von Briefen gebe (epistularum genera multa esse), und insbesondere eine Notwendigkeit die Epistolographie sozusagen begründet habe, nämlich das Benachrichtigen von Abwesenden (unum illud certissimum, cuius causa inventa res ipsa est, ut certiores faceremus absentis).5 Abgesehen von derartigen theoretischen Reflexionen ist auch ein Blick auf Ciceros narrative Praxis erhellend: Hutchinson (1998) widmet in seiner Studie zu Ciceros Briefen ein Kapitel dem Thema „Narrative“6 und weist darauf hin, dass Ciceros Korrespondenz sowohl „many arresting examples“ als auch „extremely different kinds of narrative“7 enthält, wie anschließend im Rahmen einesclose readings ausgewählter Textbeispiele8 illustriert wird. Die von Hutchinson analysierten Briefe zeichnen sich allesamt durch eine große stilistische Bandbreite sowie bewusste narrative Gestaltung aus, und am Ende lautet das Fazit: „In all the letters the narrators assume stances, and put on costumes.“9 Die Art und Weise der Narration ist demnach eng mit dem kommunikativen Rahmen verbunden: Je nach Adressat und Thema nehmen Cicero und seine Briefpartner unterschiedliche Erzählhaltungen ein, um ein bestimmtes kommunikatives Ziel zu erreichen.10 Anders als Hutchinson, der sich für Ciceros literarische Strategien interessiert, geht Drecoll (2006) der Frage nach, inwieweit Privatbriefe in der Antike als Nachrichtenmedien aufgefasst wurden und insbesondere für die Übermittlung politischer, wirtschaftlicher und kultureller Neuigkeiten dienten. In seiner Monographie untersucht er die betreffenden Texte primär auf ihren Inhalt hin als historische Quellen und beanstandet an Studien wie derjenigen Hutchinsons, dass sie den Aspekt des Nachrichtentransportes zu wenig berücksichtigen.11

Was die Privatkorrespondenz antiker Autoren betrifft, gibt es noch vergleichsweise wenige Studien, in denen narrative Strategien, sei es in einzelnen Briefen, Zyklen