Joseph II., geistliche Angelegenheiten, seine Verwaltung
Inzwischen war Joseph ganz offen und einsam seinen Weg der Aufklärung weiter gegangen. Freilich um einen letzten, entscheidenden Schritt (Trennung von Rom) zu tun, war Joseph zu wenig mit sich selbst einig über die letzten Grundsätze in Sachen des Kultus und der äusseren Religionsverfassung. Gegen Ende 1783 kam eine neue Überzeugung über ihn, dass nämlich das Papalsystem zu seiner monarchischen Auffassung doch besser passe als das episkopale. Joseph war im Dezember 1783 wieder in Rom und wurde unter dem Einfluss von Bernis und Azara zu Gunsten des Papstes gestimmt: «Beim Episkopalsystem falle er in die Hände der Domkapitel, d.h. der Aristokratie», die er heftig befehdete. Seitdem hört die absichtliche Kränkung des Papstes auf.
Gerade damals herrschte in Ungarn grösste allgemeine Gärung und besonders unter Bischöfen und Erzbischöfen, die er von 900.000 Gulden auf 265.000 herabsetzte, d.h. auf 12.000 respektive 20.000 Gulden jährlich jedem. Unter solchen Umständen war ein Anschluss an den Papst wenigstens politischer als das Gegenteil. Daher gab es auch nur laue kaiserliche Unterstützung der damaligen Schritte der deutschen Erzbischöfe. Diese nämlich, besonders Mainz und Salzburg, fanden sich benachteiligt als Karl Theodor sich von Pius den Nuntius Pacca kommen liess und seinen Klerus unmittelbar an Rom band. Joseph erklärte zwar, ein Nuntius sei bloss ein Gesandter, und er werde einem solchen nie im Reiche eine geistliche Gerichtsbarkeit gestatten – und Mainz und Köln proklamierten dies sogleich. Aber Pacca wandte sich an die Äbte, unmittelbaren Klöster, Domkapitel etc. und an die Bischöfe; allein die Renitenz war allgemein. Eigentlich wäre nur durch gewaltigen kaiserlichen Eingriff zu helfen gewesen – aber den scheuten auch die Erzbischöfe – oder durch ein vom Kaiser präsidiertes Nationalkonzil. Aber Joseph hatte überall zu tun und liebte gewiss die Versammlungen nicht. Sodann war Mainz ihm verhasst als nominelles Haupt des Fürstenbundes, der eben damals gegen seine Vergrösserungspläne entstanden war. Die Emser Zusammenkunft der Erzbischöfe negierte in 23 Punkten das bisherige päpstliche Kirchenrecht (Emser Punktation). Joseph nahm sie ausweichend auf und wirkte auf Zögerung hin; er mahnt, die Bischöfe zuzuziehen und ernennt eine Reichshofratskommission zur Prüfung. So scheiterte alles.
Eben damals ging Leopold in der Toscana ungleich weiter; der Schritt zu einer Trennung von Rom, zum fast reinen Episkopalsystem, wurde hier gewagt. Der toscanische Klerus war schon lange ziemlich stark jansenistisch, wozu sich dann etwas moderne Aufklärung gemischt hatte. Seine letzten Ziele waren eine moralische Religion statt Musik und Zeremonien, jansenistische Strenge statt der leichten Absolution, einfache Geistliche statt der Pracht des Papstes. Das toscanische Episkopat hatte nicht die politisch-aristokratischen Ansprüche des deutschen! Zu Leopolds politischen Reformen bildete so etwas die notwendige Ergänzung.
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Der Jansenist Scipio Ricci, kaum Bischof
von Pistoja, versammelt 1787 sogleich ein Provinzialkonzil, dessen «Propositiones» das Urchristentum und die Einfachkeit des Kultus’ waren. Der Papst muss es mehrere Jahre hingehen lassen; erst bei Anfang der Revolution trat auch hier eine starke Reaktion ein.
Denselben Mangel an Rechenschaft über die letzten Ziele und Konsequenzen wie in den geistlichen Angelegenheiten finden wir bei Joseph auch in der ganzen Verwaltung. Die Absichten sind überall trefflich, die Prinzipien, selbst wo sie falsch sind, grandios. Aber das Wieweit ist nie recht durchdacht, und die Mittel sind ganz willkürlich. Ein Vergleich mit Pombal zeigt, dass dieser ein gleichartiges Land vor sich hatte, Joseph dagegen eine bunte Völkerreihe. Überall waren Hast und Ungeduld, z.B. bei der Abschaffung des Codex Theresianus und damit der Todesstrafe; statt dessen wollte er Züchtigungen (Anschmiedung, Stockschläge, öffentliche Arbeiten etc.), und bis nun sein eignes Gesetzbuch erschien, verfügte er sie selbst und verschärfte nach Belieben. Sein Gleichmachungsstreben zeigte sich in der Judenemanzipation: Aufhebung ihrer Abzeichen, Zutritt in den Schulen, Aussicht auf Ämterfähigkeit, dafür deutsche Sprache und Namen, Militärpflicht, Fabriken und Landgüterpacht mit Einbeding jüdischer Arbeiter. Dann bei der Bauernemanzipation (Aufhebung der Leibeigenschaft, statt dessen mässige Pflicht, für bessern Anbau und Steigerung der Industrie) und in der Gleichheit der Besteurung, mit Grundbesitz als Basis. Dafür war ein Kataster nötig; das Unglück war, dass der Kataster schlecht ausfiel, was eine allgemeine Unzufriedenheit zur Folge hatte. Zur Steigerung des Nationalreichtums erliess er ein Verbot aller ausländischen Waren. Das Vorhandene wurde in einem grossen Vorratshaus allmählich verkauft. Auf Einzeleinfuhr standen gegen 60 Prozent Zoll. Besonders empörte ihn die Abhängigkeit vom Champagner und Burgunder; er trinkt selbst nur inländischen Wein. Es gab schreckliche Kontrebandegesetze und Doppelbesteurung der Absenten.
Josephs Verhältnis zur Publizität und zur Literatur war teils theoretischer Liberalismus, teils gleichgültige Verachtung. Er erlaubt den Nachdruck der ausserösterreichischen deutschen Bücher, damit kein Geld aus dem Lande gehe; Buchhandel ist wie Käsehandel; die Bücherzensur und die Zeitungszensur waren schwankend und meist milde. «Kritiken, die keine Schmähschriften sind, sind nicht zu verbieten, ob über den Landesherrn oder den geringsten Untertan.»
Vorherrschend sind in ihm die Gedanken der Aufklärung und der materiellen Hebung. Dazu kamen der günstige Handelsvertr