Ulf Otto
Einst waren Algorithmen das, wofür Computer gebaut wurden, später brauchte es sie, um die Computer am Laufen zu halten. Inzwischen sind sie nicht nur zu entscheidenden Akteuren der Informationsgesellschaft aufgestiegen, sondern auch zum technischen Horizont der Kultur avanciert – einer Kultur, die es nur noch im Plural, als Vielfalt von Kulturen gibt und in der das Technische wiederum niemals rein technisch, sondern immer schon sozial und politisch ist.
Mit Conchita Wurst, nicht etwa mit Alan Turing und Norbert Wiener, nicht mit Rekursionstheorie und Kybernetik also, wie noch Charlie Gere (2002) und andere, beginnt Felix Stalder 2016 seine Überlegungen zurKultur der Digitalität, besser gesagt mit ihrem Auftritt beim ESC 2014. Diesen Triumph einer Figur, die »attraktiv jenseits der Dichotomien« (Stalder 2016: 7) sei und vom Mainstream vor Kurzem noch unverstanden, versteht Stalder als Zeichen dafür, dass sich etwas in der Kommunikation der Gesellschaft verändert habe. Die »Vervielfältigung der kulturellen Möglichkeiten« (ebd.: 9) habe, von einer Verbreiterung der sozialen Basis der Kultur ausgehend, zu einer Flut an konkurrierenden kulturellen Projekten und Bedeutungsansprüchen geführt. Allerdings ruhten diese Projekte zunehmend auf technischen Fundamenten und könnten somit überhaupt nur noch technisch bewältigt werden. Suchmaschinen und ihre Algorithmen sind daher Fluch und Segen zugleich, erzeugen sie doch einerseits jene Filter Bubbles, die Eli Pariser schon 2011 problematisiert hat. Andererseits aber wäre ohne sie, das heißt ohne die statistische und stochastische Vorverarbeitung, eine individuelle wie kollektive Orientierung im Big Data, das zu großen Teilen unsere Wirklichkeit geworden ist, kaum noch möglich. Insofern wir auf Algorithmen angewiesen sind, um Sinn zu machen, wohnt ihnen eine Gesetzeskraft (vgl. Lessig 2006) inne, die über die Definition von Normen weit hinausgeht und jene klassische Kritik, die sich an menschengemachten Bedeutungen abarbeitet, oft hilflos erscheinen lässt.
Die Zukunft des Theaters liegt in dieser digitalen Kultur verortet, die kein Außerhalb mehr kennt, das heißt einzig im Kontext von Suchmaschinen, sozialen Netzwerken und mobilen Medien besteht. Aufführungen, von denen es einst hieß, sie spielten sich vor Ort in sich entziehender Gegenwärtigkeit und leiblicher Anwesenheit ab, sind inzwischen immer schon verlinkt und geliked, getaggt und geflaggt, überschattet von einem digitalen Double, welches Publika, Perzeptitionen und Reaktionen neu ordnet und unauflös