Was ist Bindungsangst?
Das Phantom Bindungsangst
Die meisten Menschen wünschen sich eine erfüllte Liebesbeziehung. Sie sehnen sich nach Sicherheit, Liebe und Geborgenheit. Und irgendwie, so denkt man, kann das doch so schwer nicht sein: Man lernt jemanden kennen, stellt viele Gemeinsamkeiten fest, verliebt sich ineinander und lebt dann glücklich bis ans Lebensende. Aber bei vielen klappt das nicht. Sie scheinen immer an die falschen Partner zu geraten. Die Beziehung fängt entweder nie richtig an, weil sie ihren Schwarm nicht einfangen können, oder sie beginnt leidenschaftlich, wird dann aber immer komplizierter, bis sie schließlich in die Brüche geht. Andere stecken über viele Jahre oder gar ihr Leben lang in einer Dauerbeziehung oder Ehe fest, die weitaus mehr Frust als Lust beschert. Manche spurten von Affäre zu Affäre, fühlen sich jedoch leer und ausgebrannt. Eine Minderheit hält sich ganz raus und bleibt dauerhaft Single.
Man könnte die Aufzählung unterschiedlicher Beziehungsformen und Beziehungsversuche noch lange fortsetzen. Eines haben alle beteiligten Protagonisten jedoch gemeinsam: Sie fühlen sich nicht wirklich in einer Liebesbeziehung angekommen. Sie sind noch auf der Suche nach dem richtigen Weg innerhalb ihrer Partnerschaft oder nach dem richtigen Partner, mit dem es endlich einmal klappen soll.
Bindungsangst ist etwas, was die meisten Menschen nicht haben wollen. Weder bei sich selbst noch beim Partner oder der Partnerin. Bei vielen löst dieses Wort Widerstand und Abwehr aus: Ich bin doch nicht bindungsängstlich! Mir muss nur endlich mal der oder die Richtige begegnen! Ich bin oft überrascht, wie viel Betroffenheit und Abwehr die »Diagnose« hervorruft. Dabei ist Bindungsangst an sich doch nichts Schlimmes. Bindungsangst ist schließlich nichts anderes als ein Selbstschutz, den die Betroffenen in ihrer Kindheit (unbewusst) aufgebaut haben, um in ihrer Familie klarzukommen. Dieser Selbstschutz war für sie als Kind ganz wichtig und wird als Prägung mit in das Erwachsenenalter genommen. Hierauf werde ich in späteren Kapiteln noch eingehen. Die Bindungsangst als solche ist nicht das eigentliche Problem, sondern eher die Strategien, die Betroffene unbewusst wählen, um ihre Bindungsangst zu kontrollieren und mit ihr umzugehen. Bildlich gesprochen können sie ganz schön um sich schlagen, wenn ihnen der Partner zu nah kommt, oder sie lassen ihn einfach gegen die Wand laufen, was für den anderen auch sehr schmerzhaft sein kann. Es ist das Ziel dieses Buches, Betroffenen dabei zu helfen, diese Strategien aufzulösen und sie durch einen gesunden Selbstschutz zu ersetzen, mit dem sie eine Liebesbeziehung genießen können. Aber dafür müssen die Betroffenen zunächst einmal erkennen, dass sie solche sind. Denn viele Betroffene und ihre Partner oder Möchtegern-Partner erkennen die eigentliche Ursache für ihren Beziehungsfrust nicht. Nicht wenige sind schon relativ alt, bevor sie feststellen, dass sie bindungsängstlich sind. Viele bemerken es nie. Manche sind sogar ein Leben lang mit einem Partner verheiratet, ohne zu entdecken, dass die wenig befriedigende Ehe bindungsängstliche Strukturen aufweist. Bindungsängste sind für die Betroffenen und ihre Partner nicht leicht zu durchschauen. Die Partner sind zumeist verwirrt von dem widersprüchlichen Verhalten ihrer Zielperson. Und auch die Betroffenen selbst können sich ihre konfusen Gefühle und Gedanken in Bezug auf ihren Partner nicht erklären.
Sehr häufig erhalte ich E-Mails, in denen mir sowohl Bindungsängstliche als auch deren Partner oder Partnerinnen danken, weil sie endlich eine Erklärung für das »Hin und Her« und »Kreuz und Quer« in ihrer Beziehung gefunden haben. Es sind die krassen Wechsel zwischen Nähe und Distanz, die bindungsängstliche Beziehungen für die Beteil