Es waren zwei Dinge auf der einen Seite, eine Art von geistigem Ausdrucks Bedürfnis, das doch von früh auf in der Philosophie bei mir ein adäquates Medium gefunden hat. Dann aber auch das Bedürfnis, dass das bei mir ursprünglich und sehr früh vorhandene Gefühl nicht der Fassade glauben. Es ging zu bescheiden, was die Oberfläche der Erfahrung einem vorgaukelt, sondern dahinter zu kommen, was eigentlich an bewährten Gesetzen dahintersteckt.
Das war natürlich etwas viel verlangt für den Lehrbetrieb an einer deutschen Universität. Das bedeutete Messen, benennen, verallgemeinern. Der Alltag der Menschen kam hier nicht vor, so wenig wie die Frage, wie sich die Menschen fühlen, wenn die Wissenschaft auf sie blickt.
Den akademischen Betrieb hat er als sehr langweilig erlebt, sagt Cornelius Kornelius, obwohl er sich auch für Kunstinteressierte und relativ vielseitig war, als Professor nicht unbedingt hinreißend und andere Kollegen wohl auch nicht. Stattdessen hatte Adorno ja früh diese hochinteressanten Kontakte zu Leuten außerhalb des akademischen Betriebs bzw. solchen, die aus verschiedenen Gründen nicht rein kamen oder nicht rein wollten. 924 hatte er da seine Dissertation fertig, und im Vorfeld hatte er daran, arbeitet auch in Kronberg und schildert dann, dass er den Horkheimer und den Pollock besucht habe, in ihrer Villa Holzweg. Und dass diese beiden doch Marxisten seien Kommunisten und man sich gegenseitig sehr viel zugestanden habe. Da merkt man das richtig, wie eine spannende Verschwörung empfand, dass man so gegen den Rest der Welt stand und sich diese Denkerin Kahlheiten leistete.
Max Horkheimer war der Sohn eines vermögenden jüdischen Textilfabrikanten aus Zuffenhausen. Sein Vater wollte ihn zum Nachfolger machen. Aber er führte lieber zusammen mit seinem Jugendfreund Friedrich Pollock das Leben eines intellektuellen Außenseiters. Schwer zu sagen, was zuerst da war die Rebellion gegen den Vater oder die Rebellion gegen die Gesellschaft. Der junge Adorno hatte solche Probleme nicht. Sein Vater hatte zwar weniger Geld, aber er half, wo er konnte.
Man kann aber auch sagen, dass der Vater nicht so viel Druck ausübt, wie es in bürgerlichen Familien üblich ist. Und deswegen musste Adorno nie stottern, während Horkheimer psychologische Behandlung braucht, damit er Vorlesungen halten kann. Man kann sich nicht vorstellen, dass Adorno die Sekretärin seines Vaters geheiratet hätte, also quasi wie ein Ödipus. Oppositionen reitet ja gar nicht nötig gewesen.
Max Horkheimer raubte seinem Vater nicht nur die private Sekretärin. Er akzeptierte auch dessen Weltanschauung, nicht die des erfolgreichen jüdischen Unternehmers, der an den Fortschritt und an die Aufklärung glaubte. Aus marxistischer Perspektive war der Vater ein Ausbeuter, und noch Jahrzehnte später kann Horkheimer seine Hinwendung zur Marxschen Theorie nur über den Vater plausibel machen.
Nach dem Ersten Weltkrieg war ich sehr unruhig in meinem Innern. Denn mein Vater, bei dem ich ja zunächst einmal im Geschäft war, hatte mich immer gelehrt, dass die Menschheit fortschreitende Kriege mehr und mehr überholt seien, dass in Wirklichkeit keine Kriege mehr sein sollten. Dann war der Krieg 1914 bis 18. Die Hoffnung hatte sich als ein möglicher Optimismus gezeigt. Da sagte ich mir Ja, da stimmt etwas an diesem Optimismus nicht.
Adorno aber zögerte noch, sich den jungen Marxisten anzuschließen, reiste im März 1925 nach Wien.
Nachdem er zum ersten Mal Auszüge aus Alban Bergs Wozzeck gehört hatte, wollte er bei Berg Komposition studieren und ein Künstler sein. Nicht irgendeiner, sondern ein Avantgardist. Wie Arnold Schönberg, der strenge Vorsteher der Wiener Schule, die Zwölftontechnik Mitte der 20er Jahre nicht mehr wie verstörende Avantgarde wirkte und die Mitglieder der Wiener Schule auch schon Adorno nicht so recht war. Schönberg war sein Idol, seit er sich mit 18 Jahren erstmals als Musikkritiker versucht hatte in der Zeitschrift. Seitdem war sein musikalisches Weltbild festgelegt für den Rest seines Lebens.
Ich glaube, abgesehen von der Musik der Neuen Wiener Schule ließ er noch die Musik von Strawinsky und Bartók gelten. Aber damit wa