: Brendan Simms
: Hitler Eine globale Biographie
: Deutsche Verlags-Anstalt
: 9783641155360
: 1
: CHF 17.50
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 1056
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein radikal neuer Blick auf Hitlers Leben, Denken und Handeln
Die wichtigsten Dinge, die wir über Adolf Hitler zu wissen glauben, sind falsch, das zeigt Brendan Simms in dieser umfassend recherchierten und thesenstark argumentierten Biographie. So kreiste Hitlers Denken nicht etwa, wie allgemein angenommen, um den »Bolschewismus«, sein wichtigster Bezugspunkt war vielmehr »Anglo-Amerika«, so Simms. Die Vereinigten Staaten und das Britische Empire galten Hitler als Vorbilder für ein deutsches Weltreich, das sich ebenfalls auf Landgewinn, Rassismus und Gewalt gründen sollte. Der renommierte Historiker zeichnet in seinem Buch nicht nur ein völlig neues Bild von Hitlers Weltanschauung, er zeigt zugleich, warum diese zwangsläufig zu einem Krieg globalen Ausmaßes führen musste: Um zu überleben, musste das deutsche Volk eine mindestens ebenso starke Machtposition erringen wie »Anglo-Amerika«. Und für kurze Zeit schien es sogar möglich, dass Hitler die Herrschaft über die gesamte Welt erringen würde.

Brendan Simms, geboren 1967, ist Professor für die Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Cambridge. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geopolitik Europas und die Geschichte Deutschlands im europäischen Kontext. Er publiziert in Zeitschriften und Zeitungen zu aktuellen geo- und europapolitischen Themen und ist Autor zahlreicher Bücher, die breite Beachtung fanden, darunter »Die Briten und Europa. Tausend Jahre Konflikt und Kooperation« (2018) und »Hitler. Eine globale Biographie« (2020).

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Eine Skizze des Diktators als junger Mann

18891913

Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 aufgrund eines historischen Zufalls als Österreicher geboren. Sein Geburtsort Braunau am Inn hatte jahrhundertelang zum Herzogtum Bayern gehört, bis es 1779 durch den Frieden von Teschen, der den Bayerischen Erbfolgekrieg beendete, in den Besitz der Habsburgermonarchie überging. Während der unruhigen Zeit der Revolutions- und der napoleonischen Kriege wechselte der Ort mehrmals seine Zugehörigkeit, bevor er 1815 endgültig Österreich zugesprochen wurde. Kulturell und ethnisch markierte die am Inn verlaufende Grenze zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn zumindest in Braunau und Umgebung eine Trennung ohne Unterschied. Der deutsche Dialekt und die traditionellen Gebräuche auf beiden Seiten des Flusses hoben sich kaum voneinander ab. Obwohl Hitler bald weiter nach Osten umzog, wo er in einer Reihe anderer Orte lebte, blieb er sprachlich Oberösterreich und damit »Mittelbayern« verhaftet.1 Er selbst bezeichnete sich später regelmäßig als »Bajuware«.2

Politisch war die Kluft jedoch riesig. Rund tausend Jahre hatten die Braunauer zum Heiligen Römischen Reich gehört, einem politischen Gemeinwesen, dessen Einwohner bis zu seinem Zusammenbruch im Jahr 1806 die meisten Deutschen waren. Nach 1815 blieb ihre deutsche Orientierung durch die Zugehörigkeit zum Deutschen Bund bestehen. 1866 bis 1871 stieß der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck jedoch Österreich aus und besiegte Frankreich, um die »kleindeutsche« Vereinigung zum zweiten Deutschen Reich durchzusetzen. Die Habsburger reagierten damit, dass sie sich nach Osten und Süden orientierten und einen Kompromiss mit den unbotmäßigen Ungarn anstrebten. Dank des neuen Status der ungarischen Krone wurden die Braunauer nun Untertranen eines multinationalen Reichs statt Untertanen eines ausdrücklich deutschen Gemeinwesens. Die Grenze zum Deutschen Reich verlief nur 300 Meter entfernt bei Simbach am gegenüberliegenden Ufer des Inns. Hitlers Familie muss sie jeden Tag gesehen haben. Der Vater, Alois Hitler, soll mit den Alldeutschen sympathisiert und gleichzeitig einen liberalen oder zumindest freidenkerischen, der katholischen Kirche skeptisch gegenüberstehenden Standpunkt vertreten haben.3 Es gibt keine verlässlichen Belege dafür, dass er dem Habsburgerreich nicht loyal gegenüberstand oder Antisemit, Alkoholiker oder seinen Kindern gegenüber gewalttätig war.

Adolf war ein jüngeres Kind in einer verzweigten Familie.4 Er hatte zwei ältere Halbgeschwister, Alois jr. und Angela, aus der ersten Ehe seines Vaters mit Franziska Matzelsberger. Nach deren Tod hatte Alois seine Kusine Klara Pölzl geheiratet, mit der er sechs Kinder hatte, von denen nur zwei überlebten, Adolf und seine jüngere Schwester Paula. Zwei von Adolfs vier Geschwistern waren vor seiner Geburt gestorben und eines, als er knapp zehn Jahre alt war. Eine wichtige Rolle spielte Klaras Schwester Johanna, »Hanitante« genannt. Aufgrund von Alois’ Arbeit zog die Familie von Braunau – Adresse: Salzburger Vorstadt Nr. 15