I.
Wir Theologen sind durch unsern Beruf in eine Bedrängnis versetzt, in der wir uns vielleicht vertrösten, aber sicher nicht trösten lassen können. Wir ahnten es ja schon als Studenten dunkel, daß es so kommen werde; wir wurden älter, und es war schwerer, als wir je geahnt hatten. Wir sind Pfarrer, oder wir sind Dozenten; es ist immer die gleiche Bedrängnis, die Einen können ihr so wenig ausweichen wie die Andern. Ich wundere mich, daß es noch Theologen gibt, die in katholische Kirchen und wer weiß noch wohin gehen, um das sogenannte Numinose kennen zu lernen31, als ob es nicht um uns wäre, sehr uninteressant, aber dafür real, wenn wir an unserm Schreibtisch sitzen, wenn wir uns niederlegen und wieder aufstehen, bevor wir wieder einmal unseres Amtes walten und nachdem es wieder einmal geschehen ist, einfach und ohne alle weitern Erlebnisse kraft der Tatsache, daß wir Theologen sind. Die Bedrängnis, die aus dieser Tatsache kommt, ist von den Umständen, in denen wir uns befinden mögen, ganz unabhängig. Sie ist, um das gleich vorwegzunehmen, mit den Mitteln der Psychologie sicher zu illustrieren, aber von daher so wenig zu erklären wie die allen Menschen durch ihren sicher bevorstehenden Tod irgendwie in die Seele geschriebene Frage. Das seltsame Schaukelspiel des seelischen Lebens, dem wir Theologen natürlich unterworfen sind so gut oder so schlimm wie jedermann, geht neben unsrer Bedrängnis her seinen eigenen Weg und hat mit ihr wesentlich nichts zu tun. Aber auch die Problematik der mechanischen Seite unsres Berufes geht ihr wohl immer zur Seite und ist doch nicht ihre Ursache. Das theologische System z. B. ist nun schon reichlich oft verbessert und gänzlich umgebaut worden, die theologische Praxis gleichfalls, und auch an Variationen in der persönlichen Stellung zu unserm Beruf ist wohl längst versucht und erprobt worden, was da überhaupt zu versuchen ist. Bedeutet das Alles etwa mehr, als wenn man einen Kranken zur Abwechslung von der einen auf die andere Seite legt? Haben wir noch nicht gemerkt, in der Kirche wie auf der Universität, daß, was gestern uns Ruhe war, morgen sicher uns Unruhe sein wird, daß vom Wechsel der Methoden und Orientierungen, so unvermeidlich er uns immer wieder wird, eine Beseitigung dessen, was uns bedrängt, jedenfalls nicht zu erwarten ist? Es kann sich auch wirklich nicht etwa um eine eigentümliche Verlegenheit gerade der Gegenwart handeln. Darum nicht, weil die Theologen so ziemlich jeder Zeit gemeint haben, gerade zu ihrer Zeit sei es besonders schwer, diesen Beruf zu versehen. Von unserer Zeit wäre sogar zu sagen, daß es heute insofern leichter ist, Theologe zu sein, als vor zehn Jahren und hier in Deutschland leichter als etwa im neutralen Ausland, weil die allgemeine Auflockerung des Bodens infolge der Ereignisse, von denen wir herkommen, dem, was wir nun zu tun hätten, unvergleichlich viel günstigere Aussichten eröffnet. Und auch daran kann es nicht liegen, daß unsere Stellung in der Gesellschaft so fraglich ist: daß wir bei der Mehrzahl der Menschen jedenfalls als Theologen nicht eben beliebt und geachtet, sondern von jenem Duft von Mißtrauenswürdigkeit umgeben sind, von dem Overbeck so viel zu sagen wußte.32 Denn erstens dürften wir uns nach dem Evangelium darüber nicht wundern, wenn wir im übrigen unserer Sache ganz sicher wären, und zweitens steht es ja auch damit so schlimm nicht; war es doch auch im neuen Deutschland immer noch ein unerhörter Fall, als neulich die Möglichkeit auftauchte, unsereinem gegenüber die sogenannte Bedürfnisfrage aufzurollen. Im Ganzen haben wir uns über die uns widerfahrene Behandlung durch das gebildete und ungebildete Publikum sicher nicht ernstlich zu beklagen. Die wirkliche und besorgniserregende Bedürfnisfrage ist uns von ganz anderer Seite gestellt. Unsere Not kommt aber auch nicht von der Kirche, von dem rückständigen Geist ihrer Leitung, von ihrer Bureaukratie, von ihrem Bekenntniszwang. Ich komme aus dem paradiesischen Lande, wo die Theologen vom Universitätsprofessor bis zum einfachen Dorfpfarrer ungefähr in jeder Beziehung machen können, was sie wollen, wo es keine Präambeln gibt und wo die mildeste und dehnbarste Vermittlungstheologie ungefähr in allen Kirchenregimentern das Szepter führt, und kann nur warnen vor der Illusion, als ob dadurch die Last, die auf die Theologen gelegt ist, auch nur im Geringsten erleichtert wäre. Im Gegenteil: Wenn einmal alle Kämpfe gegen eine alte und für eine neue Kirche äußerlich so gegenstandslos werden, wie sie es innerlich vielleicht ohnehin sind, wenn all der darauf verwendete Ernst frei wird für ernsthaftere Gegenstände, rück