: Lothar Englert
: Friesische Macht Historischer Roman
: Gmeiner-Verlag
: 9783839265284
: 1
: CHF 10.80
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 688
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Über viele Jahrhunderte hat die innere Einheit Friesland so stark gemacht, dass sich sogar fremde Fürsten daran die Zähne ausgebissen und sich blutige Nasen geholt haben. Doch die Friesische Freiheit ist Geschichte, das System der frei gewählten Richter gestürzt. An seine Stelle sind machtbesessene Häuptlinge getreten, große Grundherren, die sich erbittert bekämpfen. Am Ende wollen alle nur eins: in Ostfriesland herrschen. Also führen sie ihre Kriege, die tom Brok und die Ukena, die Allena und die Wiemken, sie überziehen die Halbinsel mit ihren grausamen Fehden. Wer wird übrigbleiben?

Lothar Englert ist in Brühl/Köln geboren und lebt in Aurich/Ostfriesland. Er war Berufsoffizier, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Neben Satiren, Gesellschafts- und Kriminalromanen hat er vor allem historische Romane veröffentlicht. Besondere Beachtung fand seine dreibändige Ostfriesland-Saga, deren erster Band auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stand.

Ouvertüre


Esens, Harlingerland, Frühjahr 1396

Der Lachs warso zart,dass sie ihn mit dem Löffel essen konnten. Das war auch nötig, denn der britannische Mönch und sein alter Freund, dieser hünenhafte holländische Schollenbrecher, hatten längst nicht mehr den Biss früherer Jahre. Ihre Zahnreihen lichteten sich wie die Bäume eines Waldsaums bei heftigem Sturm. Das Alter kannte keine Gnade, es riss hart an Haaren und Knochen und hinterließ Wüstungen, die auch den Mund nicht schonten. »Gottlob ist das Schlucken nicht von den Zähnen abhängig«, pflegte William bei einem guten Glas Wein zu sagen, und der Lange nickte dann beifällig. Jedenfalls, der Fisch zerfiel auf der Zunge. Er stammte aus der Ems, war etwas kleiner als seine Artgenossen etwa vom Rhein, aber nicht minder köstlich. Die Herrin hatte ihn in einem Bett aus Rainfarn und Zwiebel gedünstet, dann gut mit Salz bestreut, er fächerte sich rosig auf und seine Lamellen überzog ein feiner, silbriger Schmelz. Man aß gut im Hause tom Diek, und niemand schätzte es mehr als seine Gäste.

»Es ist alles verwachst!«, brummte der lange Adriaan mit Grabesstimme, doch das hinderte ihn nicht, sich ein stattliches Stück von dem Fisch über die Lippen zu schieben. Die anderen schwiegen. Der Dominikaner wischte sich mit dem Mahltuch über das Kinn, und der Hausherr schenkte Wein nach. »Verratzt und verschissen!«, fuhr der Lange fort, undeutlich, denn sein Mund war gut gefüllt. So konnte er nur reden, weil die Herrin die Stube verlassen hatte, Tomma tom Diek kümmerte sich um die Nachspeise, sie hörten sie mit den Mägden nebenan bei der Esse, wie sie mit ihrer warmen Stimme Anweisungen gab. »Hunde sind sie, Hunde und Dreckschweine!«, schob der Hüne nach, indem er erneut zulangte. »Man sollte sie alle in Scheiße ersäufen, am besten in ihrer eigenen, einen nach dem anderen!«

Magnus tom Diek setzte den Weinkrug ab, als wäre der höchst zerbrechlich, nicht dickwandig und aus gebrannter Erde, um das Getränk kühl zu halten, sondern aus zartem kölnischem Glas.

»Nun lass das Maulen, mein langer holländischer Adriaan­, und schiebe denSalmon herüber. Er ist nämlich nicht nur für dich!«, rührte sich Bruder William. Er sprach den Namen des Fischs in seiner Mutterzunge, seine Sprache klang nach den vielen Jahren im Lande wie die eines Großbauern, der von irgendwoher zugereist war.

Der lange Holländer bedachte den Mönch mit einem schrägen Blick, doch seine Augen waren voller Wärme. »Du wirst auf deine alten Tage verfressen, mein Freund!«

»Die heilige Schrift verbietet es nicht, ordentlich zu essen. Und kalter Fisch schmeckt nachowlshit!«, konterte der Mönch und schob seinen Löffel in das Fleisch. Auch William nutzte die Abwesenheit der Herrin zum sprachlichen Abstecher in die Gasse einer finsteren Vorstadt. »Oilenscheißa!«, schob er nach, lehnte sich genüsslich kauend zurück, schnaufte wohlig und legte seine Hände auf den Bau